Umweltauswirkungen pro Produkt, nicht pro Hektar bewerten
Belgische Experten weisen auf versteckte Kosten im ökologischen Landbau hin
„Wenn wir Europa in ein Paradies für ökologischen Landbau verwandeln, geschieht dies auf Kosten der Natur auf anderen Kontinenten.“ Dies konstatieren Olivier Honnay, Wannes Keulemans, Gerard Govers und Tessa Avermaete, Mitglieder einer akademischen Arbeitsgruppe, die das Thema Ökologischer Anbau seit mehr als zehn Jahren untersucht. Denn die Weltbevölkerung wird in den nächsten 25 Jahren auf die Neun-Milliarden-Marke zusteuern und es wird sich die Frage stellen: Wie können wir all diese Menschen ernähren – und zwar ethisch verantwortungsvoll und mit möglichst geringen Auswirkungen auf die Natur? In diesem Kontext müsse die Rolle Europas an der Welternährungsstrategie neu gedacht werden.
Vor fast zehn Jahren veröffentlichte in Belgien ein Expertenteam der Katholischen Universität Leuven das Dokument „Lebensmittelproduktion und Ernährungssicherheit: eine unvollkommene Wahrheit“. Vierzehn Experten aus verschiedenen Bereichen bündelten seinerzeit ihr Wissen, um eine nachhaltige landwirtschaftliche Vision zu entwickeln, die durch das kommende Jahrzehnt leiten sollte.
Wertefreie, rationale Analyse
Im Jahr 2024 veröffentlichen die Experten einen neuen Visionstext. Dabei handelt es sich nicht um eine Überarbeitung, sondern um eine Fortsetzung. Professor Wannes Keulemans, Experte für Pflanzenbiotechnologie und Koordinator des Projekts, benannte die Gründe dafür wie folgt: „Stickstoff und Nachhaltigkeit im Rampenlicht, Klimapläne, die nicht auf die Beine kamen und die Reaktion innerhalb und außerhalb des Agrarsektors haben uns dazu veranlasst, neue Visionen zu entwickeln.“
Die Experten machten sich mit so wenig Vorurteilen wie möglich an die Arbeit. Es sollte kein Wertesystem dahinterstehen, das die Visionen in die eine oder andere Richtung lenken könnte. Vielmehr sollte es eine rationale Analyse werden, die rein auf Fakten basiert. Dabei wurde schnell klar: Es gibt absolut kein Problem, genug Nahrung für alle zu produzieren. Aber die Nahrungsproduktion auf der Erde ist schlecht verteilt.
Je produktiver, desto umweltfreundlicher
Aber wie soll Europa die Lebensmittellandschaft steuern, und zwar innerhalb der gegenwärtigen, volatilen Weltpolitik? In Politik und Gesellschaft besteht der Wunsch zur Extensivierung, zu Formen der Landwirtschaft, die möglichst minimale Auswirkungen auf die Umwelt haben. Aber: Ökologische Formen der Landwirtschaft haben zwar eine geringere Umweltbelastung pro Hektar, aber auch einen geringere Produktivität. Es ist also viel Fläche notwendig, um die notwendige Produktionsmenge zu erreichen. Intensive Landwirtschaft hingegen hat einen größeren Einfluss auf die lokale Natur, nimmt aber pro Produkteinheit weniger Platz ein.
Die Wissenschaftler legten dar, dass die Umweltbelastung umso geringer ist, je weniger Platz ein Agrarsystem benötigt. „Wir schlagen nicht überall hochproduktive, intensive Landwirtschaft vor. Aber wenn das Problem rational betrachtet wird, ist zu erkennen, dass die intensive Landwirtschaft in unserer Welt eindeutig ihren Platz hat“, verdeutlichte Prof. Keulemans.
Die richtige Balance finden
Es mag also kontraproduktiv klingen, aber dank ihrer effizienten Raumnutzung hat die von Naturliebhabern verteufelte intensive Landwirtschaft einen nicht zu unterschätzenden ökologischen Vorteil. Denn je effizienter ein System pro Hektar arbeitet, desto weniger Natur dafür geopfert werden. Sowohl die extensive als auch die intensive Landwirtschaft müssen deshalb in der Politik Berücksichtigung finden, meinen die Experten. „In der Nähe von Naturschutzgebieten zum Beispiel ist natürlich eine Extensivierung gewollt, weil es weniger Auswirkungen auf die lokale Umwelt gibt“, verdeutlichte Gerard Govers. „Aber wenn wir die Auswirkungen auf globaler Ebene betrachten, ist das eine andere Geschichte. Denn weniger Produktion in Europa wird anderswo absorbiert, was für das weltweite Klima nicht besser ist.“
News & Infos
Erste Prognose für 2023: 3% weniger Bioäpfel in Europa
Am 20. Juni 2023 fand in Österreich der Jahreskongress des Europäischen Bioobst-Forums (EBF) statt. Als Ergebnis wurde eine erste Ernteprognose 2023 für Bioäpfel herausgegeben. Prognostiziert wird ein Minus von 3% im Vergleich zum Vorjahr. Aber diese sehr frühe Prognose ist nur als Richtwert zu betrachten.
EFSA-Bewertung: Obstbau hofft nun auf offene Diskussion zu Glyphosat
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat keine Einwände gegen eine erneute Zulassung von Glyphosat in der Europäischen Union. In der Neubewertung des Wirkstoffs in Bezug auf das von ihm ausgehende Risiko für Mensch und Tier sowie für die Umwelt wurden keine kritischen Bereiche festgestellt, die Anlass zur Sorge geben.
Mindestlohnerhöhung im Fokus:
Die angekündigte Erhöhung des Mindestlohnes zum 1. Januar 2024 auf 12,41 Euro pro Stunde stellt die deutschen Obst- und Gemüsebaubetriebe vor enorme Herausforderungen, denn die Lohnkosten für Saisonarbeitskräfte steigen damit weiter.
Engpass-Analyse zu Pflanzenschutzmitteln im Pflanzenschutz-Informationssystem „PS Info“
Gibt es zu viele oder zu wenige Pflanzenschutzmittel? Die neue Engpass-Analyse im Pflanzenschutz-Informationssystem „PS Info“ bietet einen kostenlosen Faktencheck zu aktuellen und historischen Zulassungen. Damit ist eine fachlich informierte Debatte möglich.
Farbintensive Sauerkirsche
Wer den Baum genauer betrachtet, erkennt sofort, dass Süß- und Sauerkirschen ganz unterschiedliche Arten sind.
Hagel Anfang Mai: 6.000 ha teils schwer geschädigt
Nach den Spätfrösten im April haben nun fast schon erwartungsgemäß Hagel, Sturm und Starkregen zugeschlagen. Ein Sturmtief wütete Ende am ersten Maiwochenende vor allem in einem Streifen von Ehingen (Donau) über Ulm und Augsburg bis nach München. Aber auch der Breisgau sowie Teile von Nordrhein-Westfalen und Nordhessen waren betroffen.
Modellvorhaben für funktionale Biodiversität im Obstbau gestartet
Mit der Überreichung der Förderurkunden durch die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) Dr. Ophelia Nick wurde der offizielle Startschuss für das Modell- und Demonstrationsvorhaben "Maßnahmen zur Stärkung der funktionellen Biodiversität für eine nachhaltige Produktion im Obstanbau (FUBIOO)" gegeben.
Broschüre: Empfehlung zur Kennzeichnung von Pflanzenschutzmitteln
Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) hat eine Empfehlung herausgegeben, wie die Gebrauchsanleitungen von Pflanzenschutzmitteln einheitlich und übersichtlich gestaltet werden können.
Online-Seminar: „Onboarding – Junge Leute erfolgreich an Bord nehmen“
Anlässlich der 30. ordentlichen Mitgliedervertreterversammlung der VEREINIGTEN HAGEL Ende Mai richtete sich der Blick auf das vergangene Geschäfts- und Schadenjahr. Vorstandsvorsitzender Dr. Rainer Langner konnte berichten, dass die Gesellschaft bei allen relevanten Kennzahlen weiter gewachsen ist.
Stellungnahme des ZVG zum Vorschlag einer EU-Verpackungsverordnung
Die EU-Kommission hat am 30.11.2022 ihren Vorschlag für eine Verpackungsverordnung veröffentlicht. Erst kürzlich hat der ZVG im Rahmen der Anhörung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz eine Stellungnahme dazu abgegeben.
Beerenobst-Exkursion nach Österreich
Die Bundesfachgruppe bietet im September 2023 für alle interessierten Beerenobstanbauer eine Beerenobst-Exkursion nach Österreich an.
Saisonstart Erdbeeren – Wie sind die Aussichten?
Die Erdbeersaison 2023 ist noch jung. Die Gedanken der Branche kreisen jedoch schon seit Monaten um sie.