Regionalen Obstbau stärken – Betriebe retten
Anlässlich ihres Treffens zu einem politischen Gespräch mit Verbandsvertretern des Landesverbandes Obstbau Westfalen-Lippe auf dem Obstanbauhof Drees in Coesfeld- Lette Ende Oktober erklärte die grüne Bundestagsabgeordnete Dr. Anne Monika Spallek: „Nur mit deutlich mehr regionalem und möglichst nachhaltig angebautem Obst, Gemüse und auch Hülsenfrüchten auf dem Teller werden wir die Klimaziele erreichen. Aber dazu brauchen wir auch die Betriebe, die diese Produkte erzeugen.“
Dr. Spallek begrüßt explizit Direktvermarktungsinitiativen wie die von Christoph Drees, der sein Obst wöchentlich bis ins Ruhrgebiet fährt. Solche Formen der Direktvermarktung seien wichtige Strukturen, um eine Bindung der Kunden an die regionale Obstproduktion aufzubauen und zu erhalten.
Bedeutung regionaler Produktion
Sie machte deutlich, dass wir nach den Studien der Eat-Lancet Kommission zur Planetary Health Diet, doppelt so viel an Gemüse, Obst, Hülsenfrüchten und Nüssen wie bisher in unseren Speiseplan einbauen müssen, um den Planeten und uns Menschen gesund zu erhalten. Demgegenüber sollten wir tierische Produkte und Zucker um die Hälfte reduzieren. Die Ernährungswende braucht also den regionalen Obstbau – nun gelte es, die bestehenden Betriebe zu erhalten.
Es dürfe auch nicht vergessen werden, dass der Obstbau mit seiner kleinteiligen Agrarstruktur ein wichtiger Bestandteil im ländlichen Raum ist. Er bietet mit seinen vielfältigen Anbauflächen zahlreichen Arten, von der Wildbiene über den C- Falter bis zur Blaumeise, Lebensraum. Zwischen den einzelnen unterschiedlichen Obstkulturen können Schmetterlinge, Käfer, Vögel, Bienen Nahrung finden.
Langfristige Planungssicherheit
Doch aktuell geht vielen Betrieben die Luft aus. Die Energiekosten explodieren, Mindestlöhne sind ein Thema und die Billig-Konkurrenz aus dem Ausland verdrängt das regionale Obst aus den Regalen der Supermarktketten und im Einzelhandel. Gleichzeitig sinkt der Selbstversorgungsgrad Deutschlands: von 2020 auf 2021 bei Äpfeln von 49 auf 45 %, bei Birnen von 18 auf 16 %, bei Kirschen von 25 auf 22 % und bei Pflaumen von 51 auf 47 %. Immer mehr Obstbauern müssten ihre Anlagen umpflügen – dort würde dann stattdessen Mais angebaut. Auf der anderen Seite nimmt die Produktion von vegetarischen Nahrungsmitteln zu, allein von 2020 auf 2021 um 17 %. Allerdings werden die Rohstoffe dazu häufig aus dem Ausland importiert.
Vor diesem Hintergrund erklärte Dr. Spallek: „Wir brauchen eine Strategie für den Obstbau ebenso wie für Gemüse und für Hülsenfrüchte, um die Ernährungswende zu schaffen. Während die Schweinebetriebe beim Thema Transformation meistens im Fokus der öffentlichen Debatte und der Politik stehen, führt der Obstbau derzeit noch ein Schattendasein. Das will ich ändern. Das Bewusstsein für die Bedeutung der Betriebe müssen wir in der Gesellschaft schärfen.“
Sie berichtete, dass der Umbau der Tierhaltung jetzt mit bis zu 1 Mrd. Euro gefördert wird, damit die Betriebe erhalten werden und mehr Tierschutz ermöglicht wird. Aber auch für die Obstbetriebe braucht es eine langfristige Planungssicherheit, damit auch diese landwirtschaftlichen Unternehmen erhalten werden und in Zukunft regionale, möglichst nachhaltig und ökologisch erzeugte Produkte anbieten können.
Regionale Nahversorgung
Die Besonderheit des Obstbaus in NRW ist seine große Nähe zu den umliegenden Bevölkerungszentren, vor allem im Rhein-Ruhrgebiet. Deshalb ist der Anteil an der Direktvermarktung im Vergleich zu anderen Bundesländern relativ hoch.
Betriebsinhaber Christoph Drees bewirtschaftet fünf Hektar Apfelanlagen, außerdem Erdbeeren, Himbeeren, Pflaumen, Mirabellen und Birnen. Er verkauft seine Produkte im hofeigenen Laden, denn es sei schwer, sein Obst an lokale Supermarktketten zu vermarkten. Stefan Kraege, Vorsitzender des Landesverbandes Obstbau Westfalen-Lippe, ergänzte beim Vor-Ort-Termin, dass die Ketten des Lebensmitteleinzelhandels vielmehr mit Obst aus dem Ausland werben würden. Auch bei den regionalen Kindergärten, Schulen und öffentlichen Kantinen werde noch viel zu häufig ausländisches Obst regionalen Früchten vorgezogen. „Wir wollen das ändern“, erklärte Dr. Spallek. „Wir wollen Anreize dafür schaffen, dass mehr regionale Produkte in den Öffentlichen Kantinen und in der Gemeinschaftsverpflegung genutzt werden. Der Bund fördert derzeit schon Bio in der Außer-Haus-Verpflegung mit bis zu 35.000 Euro je Kantine.“ Sie betonte, dass der Obstbau eine entscheidende Rolle bei der regionalen Nahversorgung mit frischen Produkten spielt, eine Unabhängigkeit von Lieferketten bietet und zur klimabewussten Ernährungswende beitrage, die sich auf pflanzliche und gesunde Produkte stützt.
Hohe Produktionskosten
Stefan Kraege erklärte, dass es dem regionalen Obstbau während der Coronapandemie recht gut gegangen sei, denn viele Menschen hätten regionale Produkte gekauft. Aber kurz nach Beginn des Ukrainekrieges seien die Umsätze wieder eingebrochen. Bernd Möllers, Obstbauberater und Geschäftsführer des Landesverbandes Obstbau-Westfalen-Lippe, berichtete, dass allein im Jahr 2021 sieben Betriebe in der Region aufgegeben hätten - das liege über dem Durchschnitt der Jahre zuvor- und nannte den Mindestlohn und neue Pflanzenschutzvorschriften als wichtigste Ursachen. Glyphosat dürfe zum Beispiel in Wasserschutzgebieten nicht mehr verwendet werden. „Stattdessen müssen wir mechanische Geräte zur Unkrautbekämpfung einsetzen. Die Geräte sind aber häufig noch nicht ausgereift, viele werden nicht gefördert“, erklärte Simon Weilandt, 2. Vorsitzender des Landesverbandes Obstbau Westfalen-Lippe. Ihr Einsatz koste ein Vielfaches im Vergleich zum bisher üblichen Herbizideinsatz und trage somit dazu bei, dass regionales Obst deutlich teurer angeboten werden müsste als Früchte aus dem Ausland.
Dr. Spallek erklärte, dass sie sich für die Förderung von wesentlich mehr Geräten zur mechanischen Beikrautregulierung einsetzen will. Auch die Förderung von entsprechenden Forschungsprojekten im Obstanbau will die Berichterstatterin für Obst im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft vorantreiben. So solle es z.B. zukünftig möglich sein, dass solche Geräte autonom durch die Anlagen fahren und damit Kosten einsparen. Auch für die Ernte gebe es entsprechende Forschungsvorhaben.
Fördermöglichkeiten ausschöpfen
„Wir müssen alle Möglichkeiten prüfen, die die lokalen Obstbauern in ihrer Produktion unterstützen, damit sie gut durch die Krise kommen“, betonte sie. Nachzudenken sei z.B. über eine Biodiversitätsprämie, da der Obstbau so wesentlich sei für die Artenvielfalt. „Hoffnung habe ich, dass auch Agri-Photovoltaikanlagen im Obst- und Gemüsebau langfristig eine Möglichkeit zur zusätzlichen Einnahmengenerierung wird.“ Unter dem Witterungsschutz würden wesentlich weniger Pflanzenschutzmittel benötigt, wie ihr immer wieder berichtet worden sei. Zudem schützt es die Pflanzen vor zu starker Sonneneinstrahlung und Starkregen. Sie berichtete, dass ab dem 01. Januar 2023 Agri-PV in die Regelförderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) überführt und mit einer zusätzlichen Technologieprämie von 1,2 Cent gefördert werde.
Auf ihrem Rundgang über das Hofgelände besichtigt Dr. Spallek auch das Obstlager. Um die Äpfel dort bis zum Frühsommer zu lagern, entstehen hohe Energiekosten, die sich jetzt mit dem Ukrainekrieg verdreifacht hätten, berichtete Christoph Drees. Stefan Kraege ergänzte, dass auch sein Pflanzenvermehrungsbetrieb ein Vielfaches der gewohnten Energiekosten generiere und diese Mehrkosten über den Verkaufspreis seiner Pflanzen an die Betriebe weitergeben müsse. „Viele Betriebe bringt die aktuelle Kostenexplosion an den Rand der Betriebsaufgabe“, brachte es Bernd Möllers auf den Punkt. „Sie schaffen vielleicht noch dieses Jahr und geben dann im nächsten Jahr auf“, so seine Prognose.
Dr. Anne Monika Spallek erläuterte die von der Bundesregierung geplanten und bereits umgesetzten Entlastungsmaßnahmen: So übernimmt die Bundesregierung als Soforthilfe den Dezember-Abschlag für Gas und Wärme bei Haushalten und KMU und bringt die Gaspreis- und Strompreisbremse auf den Weg.
Unabhängigkeit von fossilen Energien
Simon Weilandt will für seinen Betrieb in Salzkotten die Unabhängigkeit von fossilen Energien und plane deshalb eine Agri-PV Anlage. „Wir warten auf die Genehmigung“, meint er. Dr. Anne Monika Spallek versprach, ihn in seinen Betrieb zu besuchen, sobald die Anlage steht. Sie könnte sich vorstellen, dass Folien gegen PV ausgetauscht würden. Auf diese Weise wäre eine Aufwertung im Landschaftsbild möglich, verbunden mit weniger Plastikmüll. Sie prognostiziert dem Obstbau durch Agri-PV eine gute Zukunftsperspektive, und hofft, dass die Behörden die Genehmigungen unbürokratisch und schnell erteilen, damit es u.a. im Betrieb Weilandt bald losgehen kann. Auch ein Betrieb im Kreis Coesfeld plane bereits eine erste Anlage, berichtet sie.
(Quelle: Pressemeldung Dr. Spallek)
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