Pflaumenwickler-Bekämpfung 2024 – eine Herausforderung für die Produzenten?

Uwe Harzer
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Der Pflaumenwickler ist weltweit einer der wirtschaftlich bedeutendsten Schaderreger an Pflaume, Zwetsche, Mirabelle und Reneklode.

Da er mindestens zwei Generationen durchläuft, kann er insbesondere bei mittelspäten und späten Sorten zu erheblichen Ernteausfällen in Form vermadeter Früchte führen.

Der Befall durch die erste Generation wirkt sich in der Regel ausdünnend aus, da früh befallene Früchte vom Baum fallen. Werden Gegenmaßnahmen unterlassen, sind bei hohem Befallsdruck jedoch Ernteausfälle von 50 % bis hin zum Totalausfall durch die zweite Generation möglich.

Der Flug der ersten Generation beginnt in der Regel schon in der zweiten Aprilhälfte und endet Mitte Juni. Der Flug der zweiten Generation beginnt in warmen Jahren bereits in der letzten Junidekade und endet im September. Im Jahr 2023 begann der Flug in der Pfalz erst um die Monatswende April/Mai (s. Abb. 1), die Flugaktivität war während der ersten Faltergeneration im Mai und Juni deutlich niedriger als im Hochsommer (Juli und August). Die weiblichen Falter legen in der Dämmerung bei Temperaturen ab 16 °C ihre Eier auf Blättern oder Früchten ab. Daraus schlüpfende Larven können sich von Mai bis September über einen Zeitraum von ca. 14–15 Wochen in Früchte einbohren.

Rückblick auf die Zeit vor 2024
Weil schon seit Jahren keine wirksamen Pflanzenschutzmittel zur Bekämpfung des Pflaumenwicklers mehr zugelassen sind, stellt die Fachgruppe Obstbau seit 2015 Anträge auf Notfallzulassung nach Art. 53 der VO (EG) 1107/2009 für das Mittel Insegar. Da der Wirkstoff Fenoxycarb eine sehr gute und lang andauernde ovizide Wirkung hat, konnte eine zweimalige Anwendung von Insegar in der Zeit von Juni bis August (je nach Abreife der Sorten) vermadete Früchte sicher verhindern. Die Wartezeit betrug dabei 28 Tage – was auch der angenommenen Dauerwirkung des Mittels entsprach.

Neue Situation für Fenoxycarb
Die Zulassung des Mittels Insegar in der EU endete, als in Portugal als letztem EU-Mitgliedstaat die Zulassung am 31. 5. 2022 auslief (Aufbrauchfrist bis 30. 11. 2023). Ist aber ein Wirkstoff in Europa nicht mehr zugelassen, werden sämtliche EU-Höchstmengen (MRL’s) für diesen Wirkstoff automatisch nach einer bestimmten Übergangsfrist auf 0,01 ppm (Bestimmungsgrenze = LOQ) abgesenkt. Die Absenkung des EU-MRL für Insegar von 0,6 ppm (bislang) auf die LOQ von 0,01 ppm für Pflaume wurde im ScoPAFF-Meeting im September abgestimmt. Mit der Verordnung (EU) 2024/341 vom 22. 1. 2024 gilt der neue MRL von 0,01 ppm für Fenoxycarb ab dem 12. 8. 2024.

Doch auch mit einer Wartezeit von 28 Tagen (wie bisher) kann eine Überschreitung der neuen Höchstmenge nicht ausgeschlossen werden. Aus der Rückstandsdatenbank am ESTEBURG Obstbauzentrum Jork (Daten vor allem aus Rückstandsversuchen des amtlichen Dienstes) lässt sich ableiten, dass die Bestimmungsgrenze nur mit einer Wartezeit von 70 Tagen sicher eingehalten werden kann.

Aktuelle Zulassungssituation Pflaumenwickler
Seit 2022 bzw. 2023 sind mit Minecto One und Exirel zwei Cyantraniliprole-Präparate zur Bekämpfung des Pflaumenwicklers zugelassen. Aufgrund der Auflage WW762 bei Exirel kann auf einer Fläche jedoch nur eines der beiden Insektizide einmal pro Jahr eingesetzt werden. Die Fachgruppe Obstbau führt aktuell Gespräche mit dem BVL, damit diese Anwendungsbestimmung spätestens ab 2025 aufgehoben wird, weil sie ausschließlich auf die Verhinderung möglicher Resistenzen abzielt, diese beim Pflaumenwickler aber nahezu auszuschließen sind.

Neben den Cyantraniliprole-Produkten ist das Verwirrverfahren mit Isomate OFM rosso Flex (drei Pheromonkomponenten: (Z)-8-Dodecen-1-ylacetat, (E)-8-Dodecen-1-ylacetat und (Z)-8-Dodecen-1-ol) zugelassen. Diese Maßnahme ist allerdings nur eingeschränkt einsetzbar, weil sie nur auf größeren arrondierten Flächen mit niedrigem Befallsdruck sicher wirkt. Das Verwirrverfahren ist somit als Basismaßnahme einsetzbar, alleine aber nicht ausreichend wirksam. In Befallslagen können Kalamitäten ohne Zubehandlung nicht ausgeschlossen werden.

Die im Nationalen Aktionsplan angestrebte Drei-Wirkstoffe-Regelung in Klein- und Kleinstkulturen greift also für diese Indikation aktuell bei Weitem nicht. Bedingt durch die Befallsgefahr über einen Zeitraum von ca. 14–15 Wochen mussten auch für 2024 wieder Anträge nach Art. 53 (Notfallzulassung) zur Bekämpfung des Pflaumenwicklers gestellt werden. Ohne deren Genehmigungen wären Pflaumen, Zwetschen, Mirabellen und Renekloden in Deutschland nicht mehr anbaubar.

Anträge auf Notfallzulassung für 2024
Am 15. 1. 2024 konnte Uwe Harzer in Braunschweig mit dem BVL nachfolgende Anträge abstimmen:

Insegar (Fenoxycarb) für mittelspäte und späte Sorten (Reifezeit ab Anfang August) – siehe Tabelle 1.
Insegar wird nicht mehr produziert. Die Firma Syngenta und die amtliche Beratung schätzen, dass noch ca. 2.000 kg Ware als Restbestände im Handel bzw. auf den Betrieben zur Verfügung steht. Betriebe, die noch über Insegar verfügen, sollten das Mittel auf jeden Fall in diesem Jahr aufbrauchen.

Affirm Opti (Emamectin) – Wirkmechanismus IRAC-Gruppe 6 – siehe Tabelle 2.
Affirm Opti (9,5 g/kg Emamectin) wirkt spezifisch gegen Schmetterlingslarven (Lepidopteren) im Kern- und Steinobst. Das Insektizid wirkt auf die Nervenzellen der Raupen. Die Raupen stellen ihre Fraßtätigkeit kurz nach der Behandlung ein und sterben ab (larvizide Wirkung). Affirm Opti ist ein wasserlösliches Granulat von Syngenta, das Mittel wird als B1 (bienengefährlich) eingestuft.

Parallel zu diesem Antrag nach Art. 53 der VO (EG) 1107/2009 stellt Syngenta einen Antrag auf Übertragung sämtlicher Zulassungen im Obstbau von Affirm Opti aus Ungarn. Dies ist für den aktuell laufenden Antrag nach Art. 53 (kurzfristige Lösung) sicherlich hilfreich.

Zur Wirkung von Affirm Opti gegen den Pflaumenwickler gibt es allerdings nur wenige stichhaltige Versuchsergebnisse aus dem In- und Ausland. In einem Versuch des Landratsamts Karlsruhe (A. Fried, E. Schell) aus dem Jahr 2010 erreichte Affirm bei drei Anwendungen eine maximale Wirkung von 85 %. Die Dauerwirkung von Emamectin ist relativ kurz (ca. 10 Tage), sodass drei Anwendungen nach Art. 53 beantragt wurden.

Mögliche Bekämpfungsstrategie 2024
Vorbehaltlich der Genehmigungen der beiden beantragten Notfallzulassungen kommen, je nach Reifegruppe der Sorten, verschiedene Bekämpfungsstrategien infrage. Allerdings kann derzeit keiner sagen, inwieweit diese möglichen Strategien ausreichen, um komplett madenfreie Früchte zu produzieren – ganz abgesehen von den anfallenden Mittelkosten.

In Abbildung 2 ist eine mögliche Bekämpfungsstrategie für Sorten, die ab ca. Anfang September geerntet werden, dargestellt (z. B. ‘Haroma‘, ‘Jojo’, ‘Topper’, ‘Hauszwetsche’, ‘Tophit’, ‘Topend Plus’ oder ‘Presenta’). Die beantragte einmalige Anwendung von Insegar soll dazu dienen, den Befallsdruck der zweiten Pflaumenwicklergeneration entweder durch eine sichere Bekämpfung der ersten Generation im Mai bzw. Juni (je nach Abreife der Sorten) oder zum Flugbeginn der zweiten Generation bei Spätsorten (Ernte ab Anfang September) zu senken. Die Wartezeit von 70 Tagen ist dabei zu beachten.

Etwa 3–4 Wochen nach der Insegar-Behandlung folgen dann 2–3 Behandlungen mit Affirm Opti im Abstand von maximal zehn Tagen. Die Abschlussbehandlung erfolgt entweder mit Minecto One oder mit Exirel etwa zehn Tage vor Erntebeginn.

Sorten, die im August zur Ernte anstehen (z. B. ‘Topfive’, ‘Auerbacher’, ‘Mirabelle von Nancy’, ‘Hanita’, ‘Toptaste’ und ‘Cacaks Fruchtbare’), müssen entsprechend ihrer Erntereife früher behandelt werden. Je nach Sorte erfolgt der Insegar-Einsatz Ende Mai bzw. Anfang Juni. Bis kurz vor Ernte sind entsprechend Affirm Opti bzw. Minecto One oder Exirel nachzulegen.

Bei Frühsorten, die im Juli geerntet werden (z. B. ‘Ruth Gerstetter’, ‘Hermann’, ‘Katinka’, ‘Hanka’ und ‘Opal’) ist nur der Einsatz von Affirm Opti bzw. Minecto One oder Exirel möglich. Aufgrund der langen Wartezeit von 70 Tagen kann Insegar bei diesen Sorten nicht zum Einsatz kommen.

Fazit
Die Pflaumenwickler-Bekämpfung wird im Jahr 2024 mit der eingeschränkten Anwendung von Insegar (nur noch eine Anwendung, Wartezeit von 70 Tagen) eine Herausforderung für den Obstanbau. Ob die drei Bausteine Insegar, Affirm Opti und Minecto One/Exirel in einer Strategie ausreichen, um eine Vermadung gänzlich zu verhindern, kann derzeit keiner beantworten. Die Erfahrungen aus 2024 werden zeigen, ob es erforderlich sein sollte, die Bekämpfung weiter zu optimieren.

Vielleicht könnte das mittlerweile zugelassene Insektizid Harpun mit dem Wirkstoff Pyriproxyfen hier hilfreich sein – allerdings muss die Mittelverfügbarkeit für Deutschland zuerst einmal sichergestellt werden.

Über den Autor

Uwe Harzer, Neustadt/W., E-Mail: harzer@obstbau.org

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