Pflanzenschutz zukunftsfest machen statt Rückbauprogramm für die Landwirtschaft
Verbände fordern: BMEL muss Vorschläge für „Zukunftsprogramm Pflanzenschutz“ zurückziehen
Anlässlich der Befragung der Bundesregierung im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft des Deutschen Bundestages am 12.06.2024 appellieren 30 Verbände der Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft an das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), die Vorschläge für ein „Zukunftsprogramm“ Pflanzenschutz zurückzuziehen.
In dem Vorschlag des BMEL finden sich keine Antworten auf die Zukunftsfragen der Landwirtschaft, so die unterzeichnenden Verbände in dem gemeinsamen Aufruf „Schutz der Kulturpflanzen sichern und Produktionsverlagerungen vermeiden – Vorschläge für einen modernen Pflanzenschutz“. Die Verbände setzen sich für einen nachhaltigen und fachlich fundierten Schutz land- und forstwirtschaftlicher Kulturen vor Schädlingen, Krankheiten und Konkurrenz ein. In diesem Sinne setzt das Programm des BMEL die falschen Akzente, ignoriert Technik, Innovation sowie Fortschritt und fokussiert einseitig auf Ordnungsrecht und eine pauschale Reduzierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln. Deshalb fordern die 30 Verbände das BMEL auf, die Vorschläge zurückzunehmen. Es bedarf einer grundlegenden Neuausrichtung der Pflanzenschutzpolitik der Bundesregierung, um Produktionsverlagerungen ins Ausland zu vermeiden. Alles andere wäre ein Rückschritt für Landwirtschaft, Ernährungssicherung und Umwelt.
Die unterzeichnenden Verbände sind:
Arbeitsgemeinschaft Deutscher Rübenbauerverbände ADR
Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände AGDW – Die Waldeigentümer
Bund der Deutschen Landjugend BDL
Bund deutscher Baumschulen BdB
Bundesausschuss Obst und Gemüse BOG
Bundesverband Deutscher Saatguterzeuger BDS
Bundesverband Deutscher Tabakpflanzer
Bundesverband Lohnunternehmen BLU
Bundesvereinigung der Erzeugerorganisationen Obst und Gemüse BVEO
Bundesverband der VO-Firmen BVO
Der Agrarhandel DAH
Deutscher Bauernverband DBV
Deutscher Fruchthandelsverband DFHV
Deutscher Raiffeisenverband DRV
Deutscher Kartoffelhandelsverband DKHV
Deutscher Verband Tiernahrung DVT
Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft DLG
Deutscher Verband des Großhandels mit Ölen, Fetten und Ölrohstoffen Grofor
Deutscher Weinbauverband DWV
Familienbetriebe Land und Forst FabLF
Gesellschaft für Hopfenforschung GfH
Industrieverband Agrar IVA
LandBauTechnik Bundesverband
Union zur Förderung von Oel- und Proteinpflanzen UFOP
Union der Deutschen Kartoffelwirtschaft UNIKA
Verband der Getreide-, Mühlen- und Stärkewirtschaft VGMS
Verband der ölsaatenverarbeitenden Industrie in Deutschland OVID
Verband Deutscher Hopfenpflanzer
Wirtschaftliche Vereinigung Zucker WVZ
Zentralverband Gartenbau ZVG
Der Verbändeaufruf kann aus der Pressemeldung auf der Webseite des ZVG unter www.derdeutschegartenbau.de heruntergeladen werden.
Reaktion von Bioland:
Gerald Wehde, Bioland, sieht die Situation ganz anders. Er kommentierte den Verbändeaufruf in einer Pressemitteilung folgendermaßen: „Dieser Wettbewerb nach unten, wie er bei den Umweltvorgaben für die Landwirtschaft aktuell läuft, beschleunigt doch nur die multiplen Umwelt-Krisen, mit denen wir heute schon zu kämpfen haben. Es sollten alle ein Interesse daran haben, dass wir weniger Pestizide und mehr Artenvielfalt auf unseren Äckern haben, um unsere Ökosysteme nicht weiter zu destabilisieren.“
Er forderte Bundeslandwirtschaftsmister Cem Özdemir auf, die verbleibende Legislaturperiode lieber dafür zu nutzen, verbindliche, erreichbare und messbare Maßnahmen zu ergreifen, mit der sich die „dringend notwendige Reduktion von chemisch-synthetischen Pestiziden“ umsetzen lasse. Anbauformen, die ohne chemisch-synthetische „Pestizide“ wirtschaften, müssten nach Ansicht das Bioland-Sprechers dringend stärker gefördert und ausgebaut werden.
Da stellt sich doch gleich die Frage: Würde er auch biologische Pflanzenschutzmittel als „biologische Pestizide“ (Pestizid = Anglizismus für Pflanzenschutzmittel) bezeichnen?
Klarstellung des BMEL zum Zukunftsprogramm Pflanzenschutz
Das BMEL reagierte mit einer Klarstellung auf den Verbändeaufruf. Es wies darauf hin, dass das Ministerium derzeit in einem breit angelegten partizipativen Prozess mit allen relevanten Verbänden aus Landwirtschaft und Umweltseite ein "Zukunftsprogramm Pflanzenschutz" erarbeite. Es wehre sich dagegen, dass die vom BMEL erstellte Diskussionsgrundlage für ein Zukunftsprogramm Pflanzenschutz "einseitig auf Ordnungsrecht und eine pauschale Reduzierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln" fokussiere. Das BMEL macht in der Meldung deutlich, dass diese Behauptung falsch sei und jeder Grundlage entbehr. Denn das an die Verbände verschickte Ideenpapier (Link s.u.) sehe keine gesetzlichen Maßnahmen vor, sondern setze auf Anreize und Unterstützung, Beratung und Information sowie auf Forschung und Förderung von Technik und Innovation. Dabei orientiere sich das BMEL an erfolgreichen Prozessen in einigen Bundesländern – Vorbild seien etwa das Biodiversitätsstärkungsgesetz aus Baden-Württemberg oder der sogenannte Niedersächsische Weg. Aus diesem Grunde treffen laut BMEL auch jedwede Vergleiche zur auf EU-Ebene gescheiterten SUR nicht zu.
Konsens der ZKL hauptsächliche Grundlage
Vielmehr trete das BMEL für einen konstruktiven Austausch ein, in dem das Ziel sicherer Ernten und gesunder Pflanzen genauso verfolgt werde wie der Schutz der natürlichen Ressourcen, die ja die Arbeitsgrundlage für die Landwirtschaft seien. Als Grundlagen für den vom BMEL angestoßenen Prozess nannte das Ministerium wissenschaftliche Erkenntnisse, Erfahrung aus der landwirtschaftlichen Praxis und, vor allem, den Konsens der ZKL, in der Landwirtschaft, Wissenschaft, Umweltschutz und Verbraucherschutz breit vertreten waren. Die ZKL hatte empfohlen, die Auswirkungen von Pflanzenschutzmaßnahmen auf Umwelt, Artenvielfalt und die Gesundheit so gering wie möglich zu halten und stabile Agrarökosysteme im Sinne des Integrierten Pflanzenschutzes zu schaffen.
Das vom BMEL an die Verbände verschickte Ideenpapier kann hier eingesehen werden:
https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Landwirtschaft/Pflanzenbau/Pflanzenschutz/diskussionsgrundlage-zukunftsprogramm-pflanzenschutz.pdf?__blob=publicationFile&v=4
Verwandte Artikel
News & Infos
Mehr Hautkrebsfälle durch UV-Strahlung – Sonnenschutz ist unerlässlich
Angesichts deutschlandweit steigender Hautkrebserkrankungen ist es unerlässlich, dass sowohl Betriebe als auch Beschäftigte in der Grünen Branche angemessene Maßnahmen zum Sonnenschutz ergreifen.
Änderung des Düngegesetzes vom Bundestag beschlossen
Der Deutsche Bundestag hat die vom BMEL vorgelegten Änderungen des Düngegesetzes beschlossen. die von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir erarbeiteten Novelle soll landwirtschaftlichen Betriebe künftig mehr Planungssicherheit bieten und gleichzeitig den Umweltschutz verbessern.
Neue Kampagne von ALDI SÜD: Der Discounter macht Nachhaltigkeit zur „normalsten Sache der Welt“
ALDI SÜD verkündete just, dass der Konzern sein Angebot an nachhaltigeren Lebensmitteln (d.h. Bio-Produkte, regionales Obst und Gemüse oder Fleisch aus den höheren Haltungsformen) stetig ausbauen will. Wie der Discounter auf diese Weise Nachhaltigkeit zur „normalsten Sache der Welt“ machen will, zeigt Aldi Süd jetzt in seiner neuen Marketingkampagne, die am 21. Mai startet.
CO2-Fußabdruck von Bodenseeäpfeln
Im Sommer 2023 wurden im Rahmen der Initiative „FAIRDI – natürlich vom Bodensee“ CO2-Fußabdrücke für Äpfel von 22 Obstbaubetrieben sowie für typische Bodenseeäpfel ermittelt, um Optimierungspotentiale für einen ressourcenschonenden Apfelanbau zu identifizieren.
Erweiterung der Mautpflicht ab Juli 2024
Am 24.11.2023 wurde das „Dritte Gesetz zur Änderung mautrechtlicher Vorschriften“ (3. MautÄndG) im Bundesgesetzblatt Teil I Nr. 315 verkündet. Die Regelungen des Gesetzes treten 2024 in verschiedenen Stufen in Kraft.
Polnische Landwirte protestieren gegen europäische Umweltvorschriften
Letzte Woche gingen Tausende von Landwirten in der polnischen Hauptstadt Warschau auf die Straße, um gegen die Umweltpolitik der Europäischen Union (EU) zu protestieren, berichtet Vilt.be.
EU-weit mehr als 300 Fälle von zu hohen PSM-Rückständen in Obst und Gemüse
In der Saison 2023/2024 wurden bei stichprobenartigen Rückstandsuntersuchungen bis April 2024 in 361 Fällen zu hohe Pflanzenschutzmittelrückstände in Obst und Gemüse festgestellt, wie der spanische Infodienst Hortoinfo.es in einem Bericht mitteilte.
“Zukunftsprogramm Landwirtschaft” in der Kritik
Unwissenschaftlich, unausgegoren und untauglich - mit diesen klaren Worten kommentiert der Industrieverband Agrar e.V. (IVA) die “Diskussionsgrundlage für die Erarbeitung eines Zukunftsprogramms Pflanzenschutz”.
Schimmel an Erdbeeren aus dem Mittelmeerraum - ein Problem?
Das NDR-Verbrauchermagazin "Markt" hat Stichproben von frühen Erdbeeren aus dem Mittelmeerraum bei Edeka, Lidl, Rewe und einem örtlichen Gemüsehändler gekauft. Die Erdbeeren kamen aus Spanien, Griechenland und Italien.
Pachtpreise weiter gestiegen
Im Jahr 2023 hat das jährliche Pachtentgelt je Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche bundesweit durchschnittlich 357 Euro betragen. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) nach den Ergebnissen der Agrarstrukturerhebung 2023 mitteilt, entsprach dies einem Anstieg von 9 % gegenüber 2020 (329 Euro).
Genomsequenz der Schattenmorelle entschlüsselt
Ein Forschungsteam unter Federführung des JKI-Instituts für Züchtungsforschung an Obst untersucht mit neuartigen Technologien das komplexe Erbgut der bedeutenden Sauerkirschsorte und zieht Rückschlüsse auf Entstehung der Obstart.
Neu als Berufskrankheit anerkannt: Parkinson-Syndrom durch chemische Pflanzenschutzmittel
Der Ärztliche Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten (ÄSVB) – ein weisungsunabhängiges Gremium, das beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) angegliedert ist – hat empfohlen, das Parkinson-Syndrom durch chemische Pflanzenschutzmittel als neue Berufskrankheit in die Berufskrankheiten-Verordnung aufzunehmen.