Mehr EU-Äpfel, massiver Ausfall bei Birnen

Helwig Schwartau
1952

Es gibt mehr deutsche Äpfel, aber zahlreiche westeuropäische Regionen schwächeln in der Menge. Lediglich Polen meldet eine deutlich größere Erntemenge und bildet einen Unsicherheitsfaktor in der Markteinschätzung für 2021/22. Bei EU-Birnen deutet sich die kleinste Birnenernte der letzten 30 Jahre an. Was bedeutet das für den Markt?

Nach der schwachen EU-Apfelernte im Vorjahr waren die „Bäume ausgeruht“ und standen im April/Mai in Vollblüte – mit der Aussicht auf eine rekordverdächtige Produktion. Es kommt dann aber
doch oft anders, als man denkt. So gab es in einigen Regionen wieder Frühjahrsfröste, doch schwerwiegender waren in diesem Jahr die zur Zeit der Blüte europaweit viel zu kühlen Temperaturen. Der Bienenflug wurde stark eingeschränkt und entsprechend schwach war der Fruchtansatz. Darüber hinaus fiel der Junifruchtfall in einigen Regionen extrem hoch aus.

Verzögerter Erntebeginn
So ist es nicht verwunderlich, dass die Prognose der EU-Apfelernte „nur“ bei 11,7 Mio. t liegt. Damit wird die bisherige Rekordmenge aus dem Jahr 2018 mit 13,3 Mio. t deutlich verfehlt. Allerdings stehen immer noch rund 1 Mio. t Äpfel mehr zur Verfügung als in den beiden Vorjahren – und nach den Erfahrungen der Vorjahre liegt die Menge über dem Marktgleichgewicht bei 11–11,5 Mio. t Äpfel.

Die Vermarkter dürften schon zum Saisonstart auf „das Gaspedal drücken“ und die Konsumenten mit Aktionen im Einzelhandel zum Kauf animieren. Durch die kühle Witterung im Frühjahr verzögert sich allerdings die Ernte und wird in Deutschland erst Mitte/Ende September voll einsetzen.

Optimismus in Deutschland
Der deutsche Produzent ist gut gerüstet. Mit 1,08 Mio. t Äpfeln wird eine gute Ernte mit vielerorts überdurchschnittlichen Qualitäten erwartet. Stand Anfang August, halten sich auch die Hagelschäden in Grenzen. Das Ernteplus von rund 6 % zum Vorjahr resultiert aus einem Zuwachs im Westen und im Osten – wobei Ostdeutschland mit Frühjahrsfrösten zu kämpfen hatte und deshalb immer noch nicht von einer Vollproduktion sprechen kann. Die großen Anbauregionen an der Niederelbe und am Bodensee erwarten nur eine leichte Produktionssteigerung.

Sollten sich die optimalen Witterungsbedingungen bis zur Ernte fortsetzen, könnte der Fruchtgrößenzuwachs noch eine Korrektur nach oben erfordern. Schon jetzt zeigen sich ansprechende Kaliber, während viele südeuropäische Länder ein Kaliberdefizit mit einen hohen Anteil 60–65–70 mm bei ‘Gala’ erwarten.

Die deutschen Vermarkter und Produzenten blicken optimistisch in die kommende Saison. Die Apfelernte im Streuobstanbau und in den Hausgärten fällt mit 300.000 t gering aus und schwächt damit die Eigenversorgung der Konsumenten. Aus der Erfahrung der Vorjahre wird dadurch das Einkaufsverhalten für Äpfel im Zeitraum September bis Dezember stimuliert. Der Erntezuwachs bei deutschem ‘Elstar‘ sichert bis Mitte Juni eine volle Warenverfügbarkeit.

Mit dem Saisonstart dürften die Vermarkter offensiv im Markt agieren. Die Sorte ‘Gala’ wird immer stärker vom Konsumenten gefordert, sodass man hier optimistisch in die kommenden Monate blicken kann. Es ist nur zu hoffen, dass die übrigen europäischen Regionen von ihrer Rekordernte mehr Äpfel außerhalb der EU platzieren können und damit den EU-Binnenmarkt entlasten. Bei ‘Braeburn’ kann man entspannt in die Saison gehen, denn Italien und Frankreich haben zahlreiche Anlagen gerodet und erwarten eine kleinere Erntemenge. Ein Ernteplus gibt es hingegen bei der ‘Jonagold’-Gruppe. Hier sollte man nicht nur auf letzte Saisonphase setzen, da sich durch das Plus an ‘Elstar’ und ‘Gala’ ein eingeschränkter Vermarktungszeitraum abzeichnet.

Unruheherd Polen
Nun muss nur noch abgewartet werden, wie sich die Importware im deutschen Markt positioniert. Denn obwohl der deutsche Konsument Äpfel aus regionaler Produktion bevorzugt, ordert der deutsche Einzelhandel pro Saison immer noch 450.000 t ausländische Äpfel. Diese werden zu einem hohen Anteil aus Italien und Frankreich bezogen, die zur „Freude“ der deutschen Produzenten eine unterdurchschnittliche Ernte aufweisen.

Grundsätzliche Sorgenfalten bereitet Polen, das durch starke Investitionen den Apfelanbau forciert hat und weiterhin unter dem russischen Importembargo für EU-Äpfel leidet. Für mindestens 300.000 t polnische Äpfel fehlen die alternativen Exportmärkte – das belastet natürlich den EU-Binnenmarkt.

Mehr Industrieäpfel, aber stabile Preise
Eine größere Apfelernte beinhaltet zwangsläufig auch ein Plus an Industrieäpfeln. Es hat aber den Anschein, als wenn sich die Preise für Mostäpfel dennoch auf einem zum Vorjahr vergleichbaren Niveau bewegen werden. Das animiert die Produzenten, sich schon im Herbst von grenzwertigen Frischmarktqualitäten zu trennen. Die Verarbeitungsindustrie auf der anderen Seite ist durch überdurchschnittlich gut abgebaute Bestände an Apfelsaftkonzentrat und Direktsaft sehr aufnahmefähig.

Diskutiert werden im Moment die beim Apfelsaftkonzentrat absehbar zusätzlichen Exporte in die USA. China ist durch die sehr hohen Frachtkosten mit einem Plus von 300/500,– US-Dollar/t ASK gegenüber Europa im Nachteil und kaum konkurrenzfähig. Containerverladungen sind in China viel zu teuer und darüber hinaus wird keine kontinuierliche Lieferung garantiert. Dies bedeutet, dass Europa 150.000 t ASK in die USA liefern könnte und damit zusätzlich 1 Mio. t Mostäpfel bindet.

Da im deutschen Streuobstanbau eine deutlich kleinere Apfelernte zu erwarten ist, dürften die deutschen Verarbeiter allerdings trotzdem zusätzlich Rohware in Polen ordern.

Birnenernte fällt auf Rekordtief
Durch die Frühjahrsfröste fällt die EU-Birnenernte auf 1,6 Mio. t. Dies ist das niedrigste Niveau der letzten 30 Jahre.

Von den marktrelevanten Regionen ist nur Spanien nicht betroffen. Italien, das mit einer Normalernte von 700.000 t der mit Abstand größten Birnenanbieter in der EU ist, erwartet nur eine Produktion von 213.000 t.

Nutznießer dürften die Produzenten in den Niederlanden und Belgien sein, die zwar ebenfalls ein Defizit von 20 % erwarten, aber u. a. einen offenen deutschen Markt vorfinden. Für die deutschen Birnenproduzenten zeichnet sich durch diese Rahmenbedingungen jedenfalls eine erfolgreiche Saison ab.

Über den Autor

Helwig Schwartau, AMI, Großmarkt Hamburg, Zimmer 137, 20097 Hamburg, Tel.: 0650 55 95-0, E-Mail: Helwig.Schwartau@AMI-informiert.de

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