Kiwibeeren: Anbauerfahrungen an der LWG Veitshöchheim
Der Erwerbsanbau von Kiwibeeren ist in den letzten Jahren im europäischen Ausland gestiegen. In Ländern wie Italien, Portugal und Frankreich wird diese Obstart mittlerweile auf über 200 Hektar angebaut und die Früchte werden auch in deutschen Supermärkten von Ende August bis Oktober, meist unter dem Markennamen „Nergi“ und hauptsächlich aus französischer Produktion, angeboten. In Deutschland, Belgien, den Niederlanden, der Schweiz und Österreich liegt die Produktionsfläche jeweils im zweistelligen Hektarbereich – mit leicht steigender Tendenz.
Botanisches
Actinidia arguta gehört zu den aus Ostasien stammenden Actinidiaceae (Strahlengriffelgewächse), zu denen auch die bekannte grüne Kiwi (A. deliciosa), die gelbe Kiwi (A. chinensis) sowie Pflanzen mit kleineren Fruchtformen wie Sibirischer Strahlengriffel (A. kolomnikta), Schwarzer Strahlengriffel (A. melanandra) oder Japanischer Strahlengriffel (A. polygama) zählen. Botanische Unterschiede zwischen den Kiwibeeren und der „klassischen“ Kiwi sind:
- winterhart bis ca. –20 °C,
- unbehaarte Stängel, Triebe, Blätter und Früchte,
- mit Schale essbar,<
- stachelbeergroß (4 bis 18 g/Frucht),
- verschiedene Fruchtformen, Größen und Farben,
- nicht so stark wüchsig wie A. deliciosa und A. chinensis,
- geschmacklich ähnlich wie Kiwi oder besser.
Kiwibeeren sind zweihäusig. Zur Befruchtung werden Männchen im Verhältnis 1:6 bis 1:8 zu Weibchen in der Anlage verteilt.
Anbauplanung
Die ausgesprochene Winterhärte der „kleinen Kiwis“ ist der wohl entscheidendste Unterschied zu den „großen Kiwis“, sodass ein Anbau auch unter mittel- und osteuropäischen Klimabedingungen möglich ist. Folgende Punkte sollten bei einer Anbauplanung und der Standortwahl berücksichtigt werden:
- keine Spätfrostlagen,
- keine Staunässe, keine Verdichtungen (ggf. Tiefenlockerung),
- Boden humusreich, tiefgründig, leicht bis mittelschwer,
- pH-Wert: günstig 5,5 bis 6,5; LWG: 7,2 ohne Probleme (ggf. Fe; Mg beachten),
- möglichst windgeschützt (Reibeschäden der Früchte),
- Flachwurzler – hoher Wasserbedarf und Zusatzbewässerung,
- Kletterpflanze – Gerüstsystem zwingend erforderlich,
- jungfräuliche Böden (Vorbeugung ggf. mögl. Phytophthorabefall nach Apfel, Beeren).
Erziehungssystem
Während in Deutschland vor allem das Spaliersystem mit vier Gerüstästen bevorzugt wird, sind Anlagen in unseren Nachbarländern meistens im Pergolasystem aufgebaut. Beide haben ihre Vor- und Nachteile und sollten betriebsspezifisch ausgewählt werden.
Das Spaliersystem hat den Vorteil, dass das Gerüstmaterial und der Aufbau ähnlich dem im Weinbau sind. Zudem ist die Hauptarbeitszone auf einer Höhe von 0,6 m bis 1,80 m (max. 2 m). Bei dem Pergolasystem sind viele Arbeiten, wie Anbinden der Triebe, Schneiden und Ernten, im oberen Bereich bzw. Überkopf. Dafür sollen die Hektarerträge leicht höher sein. Das Gerüst des Spaliersystems besteht aus vier Etagen bzw. Drähten in einem Abstand von ca. 40 cm. Optional kann ein Draht für Bewässerungsschläuche und einer auf ca. 2 m Höhe für Triebe von männlichen Pflanzen oder auch Frostschutzberegnung angebracht werden. Der Pfostenabstand sollte bei 5–6 m liegen. Metallpfosten sind zwar teurer, aber dauerhafter. Der optimale Pflanzabstand für das Spaliersystem liegt bei 3 bis 3,5 m Reihenabstand und 2,5 bis 3 m in der Reihe.
Bewässerung und Düngung
Damit die Pflanzen schnell die Drähte bewachsen können, sind ein humusreicher Boden, Düngung und Zusatzbewässerung notwendig. Kiwibeeren sind Flachwurzler und haben aufgrund der dichten Blattmasse einen hohen Wasserbedarf. In trockenen Sommermonaten ist deshalb mindestens zwei- bis dreimal pro Woche zu wässern, mit je 10 bzw. 15 l pro Pflanze.
Bei der Düngung im ersten bis dritten Jahr sollte Stickstoff sehr zurückhaltend gegeben werden – vor allem, wenn vorher Kompostgaben oder eine Pflanzlochdüngung durchgeführt wurden. Zu viel Stickstoff hat zu starke, lange und schlecht ausgereifte Jungtriebe mit erhöhter Gefahr von Frostschäden, v. a. im Jugendstadium zur Folge.
Folgende Düngemengen werden bei Vollertrag (bei Bodengehaltsklasse C) empfohlen:
- 50 (–80) kg N
- 20–30 kg P2O5
- 80–100 kg K2O
- 15 (–20) kg Mg
Etwa zwei Drittel der Jahresdüngemenge kann im März/April gegeben werden. Der Rest ist, je nach Behangstärke, im Juni auszubringen.
Schnitt
Falls keine oder zu wenig Seitenverzweigungen für die horizontal liegenden Drähte in der Vegetationsphase wachsen, sollte ein Anschnitt ca. 5 bis 10 cm oberhalb des Drahtes erfolgen, um Triebe aus den darunterliegenden Knospen zu fördern.
Kiwibeeren können je nach Boden- und Niederschlagsverhältnissen stark wachsen. Im Sommer kommt es oft zur Bildung von Wasserschossern sowie geringelten Trieben, die sich um den Draht oder andere Pflanzenteile wickeln. Für den Aufbau am Drahtgerüst sollten diese nicht verwendet werden. Gedrehte Triebe haben eine deutlich geringere Vitalität und Ertragsleistung als gerade gewachsene. Wie in Foto 5 dargestellt, sollten solche Triebe spätestens im Winter zurückgeschnitten werden. Um zu starke Triebbildung zu verhindern, sind in den Sommermonaten zwei bis drei Schnittdurchgänge notwendig, was mit dem Anbinden der Jungtriebe kombiniert werden kann.
Spätfrostanfälligkeit
Der wohl kritischste Faktor in der Produktion von Kiwibeeren ist die Anfälligkeit gegenüber Spätfrösten. Durch den frühen Austrieb ab Anfang April besteht für die Jungtriebe eine lange Gefährdungsdauer. Bei Temperaturen ab –2 °C kann es zu erheblichen Schäden kommen. Daher sollten anfällige Lagen unbedingt vermieden und auch aktive Frostschutzmaßnahmen wie beispielsweise Reihenfrostschutzberegnung eingeplant werden.
Auch bei den Sorten gibt es Unterschiede in der Anfälligkeit. Die sich oft im Anbau befindenden Sorten ‘Geneva’ und ‘Weiki’ gelten als hochanfällig gegenüber Spätfrost. Als robuste Sorte hat sich bisher ‘Fresh Jumbo’ herauskristallisiert. Ältere Pflanzen der Sorte haben auch im Frostjahr 2017 Erträge erzielt. Da die Blüte erst ab Ende Mai beginnt, besteht in diesem Stadium keine Gefahr mehr vor Spätfrösten.
Pflanzenschutz
Am LWG-Versuchsstandort Thüngersheim sind bisher noch keine pilzlichen oder bakteriellen Erreger aufgetreten. Kiwikrebs oder PSA (Pseudomonas syringae pv. actinidiae) tritt bisher vor allem bei A. deliciosa und A. chinensis in Italien und der Schweiz auf; betroffene Pflanzen sind zu roden. Kiwibeeren sind indes deutlich weniger anfällig. Im Freiland sind keine schädigenden Insekten oder Milben bekannt. Lediglich die Kirschessigfliege (Drosophila suzukii) kann hohe Schäden anrichten. Gezielte Pflanzenschutzmittelanwendungen kurz vor der Ernte oder Einnetzungen sind genauso problematisch wie bei anderen anfälligen Kulturen. Kiwibeeren können als klimakterische Früchte aber frühzeitig geerntet und nachgereift werden. Bei Ernte von harten Früchten – ca. 10 bis 14 Tage vor der eigentlichen Reife – sind noch keine Eiablagen von D. suzukii festzustellen.
In windoffenen Lagen kann es zu Reibeschäden oder Verkorkungen durch aneinanderreibende Früchte oder auch Blattstielen kommen, was zu einem hohen Anteil nicht frischmarktgeeigneter Beeren führen kann.
Der Unkrautkontrolle sollte vor allem anfangs größere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Bei einer Umstellung von chemischer auf mechanische Beikrautbekämpfung kann es bei den Flachwurzlern allerdings zu Wuchsdepressionen und Pflanzenausfällen kommen. Daher sollte der Pflanzstreifen möglichst schon in jungen Jahren mit einem mechanischen Bodenbearbeitungsgerät freigehalten werden.
Fazit: Die Kultur kann auch ohne den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der biologischen wie auch integrierten Produktion angebaut werden.
Sortenempfehlungen
Als robuste und ertragreiche Sorten haben sich in Veitshöchheim vor allem ‘Fresh Jumbo’, ‘Molli’ und ‘Super Jumbo’ erwiesen. Seit 2014/2015 sind diese und drei weitere Sorten im Rahmen eines Bundesversuchs des Arbeitskreises obstbauliche Leistungsprüfung an einigen Versuchseinrichtungen und bei Betrieben in Deutschland aufgepflanzt. Erwartete erste Erträge im Jahr 2017 sind durch Spätfröste ausgefallen. In den darauf folgenden vier Ertragsjahren zeigt sich bisher ‘Fresh Jumbo‘ (s. Abb. 1, Foto 7A) an allen Standorten als Ertragssieger.
Bis die kompletten Drähte bewachsen sind und mit einen Vollertrag zu rechnen ist, können fünf bis sieben Jahre vergehen. Produktive Sorten wie ‘Fresh Jumbo’, ‘Rote Verona’ oder ‘Weiki’ können bei optimalen Bedingungen Erträge im vierreihigen Spaliersystem von acht bis 12 kg im Durchschnitt bringen. Die großfruchtige ‘Super Jumbo’ kann bisher nur am Standort Veitshöchheim überzeugen.
Am Versuchsstandort der LWG sind momentan 70 verschiedene Sorten und Klone aufgepflanzt, die überwiegend vom sächsischen Züchter Werner Merkel aber auch anderen europaweiten Herkünften stammen. Ziel ist, aus dieser Sortenvielfalt robuste Pflanzen mit hohem Ertrag, einem durchschnittlichen Fruchtgewicht von mindestens acht Gramm und, im Idealfall, einer deutlich rot gefärbten Backe sowie mit hervorragendem Geschmack herauszufiltern. Hier scheinen die frühreifende und rotfleischige ‘Scarlet September’ sowie die rotschalige ‘Mariered’ recht vielversprechend zu sein.
Als männliche Befruchtersorten haben sich ‘Nostino’, ‘Honigbeere’ und ‘Blütenwolke’ etabliert.
Die Sorte ‘Issai’ bildet auch ohne männlichen Befruchter Früchte. Allerdings ist sie aufgrund der geringen Fruchtgröße nur für Haus- und Kleingarten empfehlenswert. Aber auch bei dieser Sorte ist der Ertrag deutlich höher, wenn eine Bestäubung mit männlichem Pollen erfolgt.
Ernte und Lagerung
Nach Versuchsergebnissen der Universität Warschau können die kleinen Kiwis bei einer Ernte mit 6,5 bis 7 Grad Brix bei einer Temperatur von 0 °C bis zu 12 Wochen gelagert werden. Auch auf den Versuchsflächen der LWG werden seit 2017 die Früchte unreif bei einem Brixwert von 7 bis 9 geerntet und im Kühllager nachgereift. Je nach Temperatur und Sorte kann der Zuckergehalt innerhalb von zwei Wochen auf 14 bis 16 Grad Brix steigen und die Früchte sind genießbar.
Kiwibeeren reagieren sehr sensibel auf Ethylen und sollten deshalb nicht mit Äpfeln zusammen gelagert werden. Der frühe Erntetermin hat den Vorteil, dass die Beeren alle zusammen geerntet werden können und kein Befall durch die Kirschessigfliege auftritt. Dabei können komplette Äste abgeschnitten und die Früchte später von den Trieben getrennt und eingelagert werden. Auf diese Weise ist der Arbeitsaufwand zur Ernte deutlich geringer als bei mehrfacher Ernte zur Vollreife – allerdings ist dann der Arbeitsaufwand während der Lagerung und Sortierung höher.
Fazit
Kiwibeeren oder Mini-Kiwi sind saisonal in geringem Umfang in Supermärkten zu finden. Die Früchte stammen jedoch in den seltensten Fällen aus deutscher Produktion. Diese Lücke zu füllen und den Einstieg in die Produktion zu wagen, ist nicht einfach und sollte gut überlegt sein.
Bei der Erstellung einer Anlage fallen Investitionskosten für Pflanzen, Gerüstanlage sowie Bewässerungsinfrastruktur und gegebenenfalls Frostschutzberegnung an. Erste Erträge können ab dem dritten Standjahr erwartet werden.
Die kritischste Phase in der Saison ist ab Anfang April bis Mitte Mai, in der durch Spätfröste junge Triebe so stark geschädigt werden können, dass der komplette Verlust des Jahresertrages droht.
In den Sommermonaten sind zwei bis drei Schnittdurchgänge sowie das Anheften der Triebe notwendig.
Die Pflanzen haben in Deutschland bisher keine bekämpfungswürdigen Krankheiten und Schaderreger aufzuweisen, was Pflanzenschutzmaßnahmen überflüssig macht. Nur die Kirschessigfliege kann verheerende Schäden anrichten. Da Kiwibeeren sehr gut nachreifen, kann das Problem durch eine frühzeitige Ernte und anschließende Nachreife im Kühllager behoben werden. Dies erleichtert auch die Erntearbeit, erfordert aber mehr Arbeitszeit während der Lagerung und Sortierung. Kiwibeeren dürfen dabei nicht mit ethylenerzeugenden Früchten wie z. B. Äpfeln zusammen gelagert werden.
Da die Früchte bei vielen Verbrauchern und Verbraucherinnen immer noch neu sind, ist beim Verkauf auch Überzeugungs- und Aufklärungsarbeit notwendig. Trotz der Robustheit gegenüber Krankheiten und Schaderregern ist der erwerbsmäßige Anbau von Kiwibeeren somit kein Selbstläufer.
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