Ergebnisse des EU-Landwirtschafts-Strategiedialogs
Ursula von der Leyen hatte versprochen, in den ersten 100 Tagen ihrer neuen Amtszeit als EU-Kommissionspräsidentin eine Vision für Landwirtschaft und Ernährung zu präsentieren. Am 04. September 2024 hat sie nun in Brüssel die Ergebnisse des von ihr ins Leben gerufene Expertendialog zur Zukunft der Landwirtschaft in der EU vorgestellt. Empfohlen wird einen deutlichen Umbau der EU-Agrarpolitik.
"Das derzeitige Konzept muss angepasst werden, um aktuellen und künftigen Herausforderungen gerecht zu werden", heißt es in einem Abschlussbericht des sogenannten „Strategiedialogs“. Der Bericht ist das Ergebnis der Konsultationen von rund 30 Vertretern aus der Landwirtschaft und dem Lebensmittelhandel, gemeinsam mit Vertretern von Verbraucherorganisationen, Umweltgruppen, Finanzinstituten und Hochschulen. Sie alle waren sich einig, dass es gemeinsame Anstrengungen braucht, um die aktuellen Herausforderungen zu bewältigen und gleichzeitig landwirtschaftlichen Betrieben eine wirtschaftliche Perspektive zu bieten.
Mit Hunderten Milliarden Euro ist der Agrarbereich einer der größten Posten im EU-Haushalt. Nach Meinung der Expertengruppe sollte die EU-Agrarpolitik mit diesem Geld stärker diejenigen Landwirte unterstützen, die Förderung am dringendsten benötigten. Umweltfreundliches Handeln soll zudem ebenso belohnt werden wie die Anwendung von Maßnahmen, die den Beschäftigten und dem Tierwohl zugutekommen. Zudem sollten Rahmenbedingungen geschaffen werden, die die ländlichen Räume lebenswerter machen.
Der Strategiedialog bezieht sich auf den Green Deal und die Farm-to-Fork-Strategie. Die Empfehlungen der Vertreter aus Landwirtschaft, Einzelhandel, Wissenschaft und Zivilgesellschaft sind rechtlich allerdings nicht verbindlich.
Landwirtschaft war auch während des Europawahlkampfs eines der größeren Themen. Die wiedergewählte Kommissionspräsidentin von der Leyen hatte versprochen, in den ersten 100 Tagen ihrer neuen Amtszeit eine Vision für Landwirtschaft und Ernährung vorzustellen. Noch muss sie aber ihr Team zusammenstellen, so ist etwa unklar, wer künftig EU-Agrarkommissar oder -kommissarin wird.
Cem Özdemir, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, kommentierte das Ergebnis wie folgt:
„Die Arbeit des Strategiedialogs ist eine sehr gute Grundlage für die Weiterentwicklung der EU-Agrarpolitik. Seine Ergebnisse ergänzen wichtige Leitlinien, wie Farm-to-Fork-Strategie und Green Deal. Der von Agrar- wie Umweltseite breit getragenen Konsens zeigt Wege auf, wie ein fairer Interessenausgleich aussehen kann.
Zentral dabei ist, dass Markt und staatliche Rahmensetzungen für eine zukunftsfeste Landwirtschaft konsistent zusammen gedacht werden. Für die Verbraucher soll die nachhaltige Wahl zukünftig zur einfachen Wahl werden. Verbunden mit einer Stärkung der Erzeuger unserer Lebensmittel in der Wertschöpfungskette soll damit der Weg für faire Einkommen und gute wirtschaftliche Perspektiven geebnet werden.
Gesellschaftliche Leistungen der Landwirtschaft sollen zukünftig einkommenswirksam honoriert werden. Diesen Ansatz begrüße ich ausdrücklich, denn die Landwirte erwarten zurecht ansprechende Förderungen, damit sich ihr Einsatz für Umwelt, Artenschutz, Klima und Tierwohl auch finanziell auszahlt.“
Der Minister befürwortet, dass sich der Strategiedialog zu einer GAP bekennt, die vor allem diese Gemeinwohlleistungen honoriert und dazu die Direktzahlungen stärker nutzen soll. Er sieht das nicht als Absage an die Einkommensunterstützung, sondern vertritt vielmehr die Ansicht, dass die Landwirte auf diese Weise unterstützt werden, nachhaltig und zukunftsfest zu wirtschaften – oder anders gesagt: ihre Arbeitsgrundlage zu schützen.
Auch die Impulse über die GAP hinaus bezeichnete Cem Özdemir als erfreulich. Der Dialog unterstreiche einerseits die Vorbildfunktion des Ökolandbaus und zeige zugleich auf, dass es vielfältige Wege zu mehr Nachhaltigkeit gibt. Das sei auch der Ansatz seines Ministeriums in Deutschland: Ob konventionelle, ökologische oder regenerative Landwirtschaft – alle brauchen praxistraugliche und bürokratiearme Lösungen. So habe die Forderung des Strategiedialogs nach einer Strategie zum Umbau der Tierhaltung mit einem einheitlichen europäischen Label mit der deutschen Tierhaltungskennzeichnung und dem Bundesprogramm bereits eine Blaupause. Und auch bei den geforderten nationalen Ernährungsstrategien, die Ernährungstrends unterstützen sollen, gehe Deutschland längst voran.
Minister Özdemir betont in seiner Stellungnahme, dass die Kommissionspräsidentin und ihre künftige Kommission w daran gemessenerden, wie ernsthaft die skizzierten Vorschläge nun umgesetzt werden. Und er bietet seine Unterstützung an, den kooperativen Weg des Kompromisses hin zu einer nachhaltigeren und ökonomisch tragfähigen Landwirtschaft konsequent weiterzugehen.
Er dankte in diesem Zusammenhang Prof. Peter Strohschneider, dem es gelungen ist, ein attraktives und verbindendes Angebot für eine zukunftsfeste europäische Landwirtschaft zu machen. Und er bezeichnete die Zukunftskommission Landwirtschaft als deutsches Vorbild dieses EU-Strategiedialogs, der einen Wegweiser darstelle, dem sich „alle im Land und in der Politik verpflichtet fühlen.“
Der DBV hingegen fordert intensive Nacharbeit:
Aus Sicht von Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes, gibt es bei den Ergebnissen noch deutliches Verbesserungspotenzial: „Der heute vorgelegte Abschlussbericht ist als Arbeitsdokument eine Basis für weitere Diskussionen, allerdings muss jetzt noch intensiv nachgearbeitet werden. Hier ist die neue Kommission gefordert und muss weiter den Dialog mit uns Landwirten, den direkt Betroffenen, suchen.“ Eine enge und transparentere Einbindung der Landwirtschaftsverbände in den Mitgliedstaaten ist für ihn die Grundlage für ein Vertrauen der Landwirte in die EU-Politik. Dies müsse deshalb auch Prämisse bei der Ausarbeitung kommender Kommissionsvorschläge sein.
So sind die Inhalte des aktuellen Landwirtschafts-Strategiedialogs nach Ansicht des Bauernverbandspräsidenten deutlich hinter den Erwartungen der deutschen Landwirte zurückgeblieben: „Der Bericht liest sich in vielen Bereichen wie eine Bestätigung des bisherigen Kurses der Kommission, ohne den notwendigen kritischen Rückblick auf das vergangene Mandat.“
Joachim Rukwied erinnerte daran, dass die Landwirte in ganz Europa für weniger Bürokratie und ein besseres Einkommen protestiert haben: „Dieses Ergebnis ist nicht die aus Sicht der Landwirtschaft notwendige politische Kursänderung, für die wir Anfang des Jahres auf die Straße gegangen sind.“ Für den DBV kommen Ernährungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit in den Prioritäten der Kommission bislang erheblich zu kurz und müssten zukünftig stärker gewichtet werden.
DRV: „Das Wichtigste ist nun, ins Machen zu kommen.“
Mit Blick auf die seit Jahren nicht umgesetzten Empfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) machte Franz-Josef Holzenkamp, Präsident des Deutschen Raiffeisenverbands (DRV) deutlich: „Solch ein Zögern und Zaudern darf sich auf europäischer Ebene nicht wiederholen.“ Daher fordert er die EU auf, die definierten Ziele nun schnell mit einem konkreten Zeit- und Umsetzungsplan zu versehen.
Dabei begrüßte der DRV-Präsident den integrativen und auf Dialog setzenden Prozess ausdrücklich: „Umweltschutz und Ernährungssicherheit müssen zusammen gedacht werden.“
Der DRV sehe im Ergebnisbericht des EU-Landwirtschafts-Strategiedialogs viele seiner langjährigen Positionen in den Empfehlungen aufgenommen: „Dass der Bericht die hohe Bedeutung der Produktion von gesunden und bezahlbaren Lebensmitteln in Europa betont, ist richtig und wichtig. Verlässliche finanzielle Unterstützung bei der Umsetzung von mehr Umweltschutz und dem Umbau der Tierhaltung, freie Märkte, die Ausrichtung auf wettbewerbsfähige Nachhaltigkeit sowie mehr Fairness entlang der gesamten Wertschöpfungskette sind für unsere Unternehmen von großer Bedeutung“, betonte der DRV-Präsident und forderte, dass bei der Umsetzung das Level Playing Field des Binnenmarkts gelten müsse.
Er lobte, dass der strategische Dialog den Genossenschaften explizit eine Schlüsselrolle auf dem Weg hin zu einer nachhaltigen Landwirtschaft zuspreche. Die Stärkung des Genossenschaftsmodells sei der richtige Ansatz. Denn Genossenschaften stehen für sinnvolle Kooperation, Mitbestimmung, Transparenz sowie die Symbiose von wirtschaftlichem Streben und sozialer Verantwortung.“
Auch der BÖLW begrüßte vorgestellten Ergebnisse:
Tina Andres, Vorstandsvorsitzende des Bundes für Ökologische Landwirtschaft (BÖLW) betonte die Vorbildfunktion des Ökolandbaus als Konsens unter den unterschiedlichen am Dialog beteiligten Gruppen aus den Sektoren Lebensmittel und Umwelt. „Die biologische Landwirtschaft, die ohne chemisch-synthetische Pestizide und ohne mineralischen Stickstoffdünger auskommt, wird noch einmal EU-weit aufgewertet. Bitter nötig ist auch die Empfehlung, Umwelt- und Klimaleistungen künftig so zu honorieren, dass sie echte Anreize für die Bäuerinnen und Bauern darstellen“, sagte sie.
Als kritisch bewertete sie aber, dass in dem jetzt vorgelegten Ergebnisbericht jegliche Ziele und Zeitpläne fehlen würden und die verbindlichen Ziele der Farm-to-Fork-Strategie der EU nicht mehr gelten sollen. „Ohne diese Vorgaben dürften die Klima- und Biodiversitätsziele vom Agrarsektor weiterhin verfehlt werden. Das gefährdet die Sicherheit unserer Ernährung“, kritisierte die BÖLW-Vorstandsvorsitzende.
Weiter Informationen zum Strategiedialog und seinen Teilnehmenden finden Sie unter folgendem Link:
https://agriculture.ec.europa.eu/common-agricultural-policy/cap-overview/main-initiatives-strategic-dialogue-future-eu-agriculture_en?prefLang=de
Den kompletten Bericht zum EU-Landwirtschafts-Strategiedialogs können Sie hier herunterladen:
https://agriculture.ec.europa.eu/document/download/171329ff-0f50-4fa5-946f-aea11032172e_en?filename=strategic-dialogue-report-2024_en.pdf&prefLang=de
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