Bald als Berufskrankheit anerkannt?

Parkinson durch chemische Pflanzenschutzmittel

Fachgruppe OBSTBAU
3748

Die Anerkennung einer Erkrankung als Berufskrankheit bietet Betroffenen einen umfassenden Schutz und vielfältige Unterstützungsleistungen durch die gesetzliche Unfallversicherung. Nun hat der Ärztliche Sachverständigenbeirat (ÄSVB) empfohlen, das „Parkinson-Syndrom durch Pestizide“ als neue Berufskrankheit in die Berufskrankheiten-Verordnung aufzunehmen.

Auch wenn die Ursachen einer Parkinson-Erkrankung bisher nicht völlig geklärt werden konnten, bestätigte der ÄSVB nach jahrelanger Prüfung den Verdacht, dass der Umgang mit bestimmten chemischen Pflanzenschutzmitteln ein Parkinson-Syndrom auslösen kann. Der als unabhängiges Gremium beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) angegliederte Beirat hat daraufhin empfohlen, das Parkinson-Syndrom durch Pestizide als neue Berufskrankheit in die Berufskrankheiten-Verordnung aufzunehmen. Das BMAS beabsichtigt die Aufnahme in der zweiten Jahreshälfte 2024.
Bei Vorliegen aller Voraussetzungen kann die Erkrankung auch bereits vor Aufnahme in die Berufskrankheiten-Verordnung als sogenannte „Wie-Berufskrankheit“ anerkannt werden. Diese Anerkennung bietet den Betroffenen einen umfassenden Schutz und Unterstützungsleistungen durch die gesetzliche Unfallversicherung.
Für Versicherte der SVLFG heißt das, sie haben im Krankheitsfall Anspruch auf Unterstützung durch die LBG, wenn sich die Krankheit aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit entwickelt hat. Die SVLFG hat alle Versicherten der Landwirtschaftlichen Krankenkasse (LKK) angeschrieben, die in den vergangenen Jahren aufgrund einer Parkinsondiagnose behandelt wurden, und prüft in über 7.000 Fällen, ob eine Berufskrankheit vorliegt.

Voraussetzungen
Damit die Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft (LBG) die Berufskrankheit bzw. „Wie-Berufskrankheit“ anerkennen kann, muss medizinisch ein primäres Parkinson-Syndrom diagnostiziert sein. Die Parkinsonerkrankung darf nicht Folge einer anderen Grunderkrankung sein. Zudem muss die oder der Erkrankte im Berufsleben langjährig und häufig mit Fungiziden, Insektiziden und/oder Herbiziden gearbeitet haben. Diese Mittel müssen die Erkrankten an mindestens 100 Tagen innerhalb einer Funktionsgruppe (Insektizide, Herbizide, Fungizide) angewandt haben. Eine Addition der Tage über unterschiedliche Funktionsgruppen erfolgt dabei nicht. Es wird jeder Tag gewertet, an dem die versicherte Person (unabhängig von der Tätigkeitsdauer an diesem Tag) Vor- oder Nachbereitung, Störungsbeseitigung im Rahmen der Pestizidanwendung oder Ausbringung der Pestizide selbst vorgenommen hat.

Anerkennungsverfahren
Die ersten Erfahrungen haben gezeigt, dass viele Betroffene die Durchführung eines Verfahrens scheuen und leichtfertig auf eine weitere Prüfung verzichten. Auch wenn auf den Betrieben oder bei den Betroffenen gegebenenfalls keine entsprechenden Nachweise über einen Umgang mit chemischen Pflanzenschutzmitteln vorhanden sein sollten oder manch einer sich an einige Informationen auch nicht mehr erinnern kann, ist letztlich in jedem Einzelfall in Zusammenarbeit mit den Betroffenen oder den Familienangehörigen zu eruieren, welche weiteren Informationsquellen herangezogen werden können.
Die SVLFG hat alle Versicherten der Landwirtschaftlichen Krankenkasse (LKK) angeschrieben, die in den vergangenen Jahren aufgrund einer Parkinsondiagnose behandelt wurden, und prüft in über 7.000 Fällen, ob eine Berufskrankheit vorliegt. Anhand der zurückgegebenen Fragebogen stellt die LBG in jedem Einzelfall fest, ob die Voraussetzungen einer Berufskrankheit vorliegen. Sie ermittelt den Sachverhalt und klärt sowohl die Krankheitsvorgeschichte als auch die Arbeitshistorie über das gesamte Berufsleben hinweg. Die Befragung zur Arbeitsvorgeschichte führt ein Mitarbeiter der LBG im persönlichen Gespräch vor Ort oder telefonisch durch. Zusätzlich sichtet die LBG Berichte der behandelnden Ärzte. Es können fachärztliche Zusammenhangsgutachten durch externe Sachverständige eingeholt werden
Aufgrund der hohen Anzahl zu überprüfender Verdachtsfälle geht die SVLFG davon aus, dass die Bearbeitung längere Zeit in Anspruch nimmt. Die Kostenübernahme für Behandlungen ist bis zum Abschluss des berufsgenossenschaftlichen Anerkennungsverfahrens durch die Krankenkasse sichergestellt.
Sofern Betroffene in den letzten Wochen bereits auf die Fortführung des Verfahrens verzichtet haben, können diese jederzeit die SVLFG kontaktieren und das Verfahren wiederaufnehmen lassen.

Mithilfe des Anzeigeformular auf der Webseite der SVLFG unter www.svlfg.de/formular-berufskrankheiten-anzeige erkrankte Arbeitnehmer ebenso wie Personen, die bereits in Rente sind, eine Verdachtsanzeige vornehmen. Alternativ kann die Meldung durch behandelnde Ärzte direkt bei der SVLFG vorgenommen werden.

Leistungen der Berufsgenossenschaft
Die gesetzliche Unfallversicherung erbringt aktiv alle medizinischen und außermedizinischen Leistungen zur Rehabilitation einschließlich der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft sowie ergänzende Leistungen aus einer Hand. Sie stellt die betroffenen Menschen mit dem Ziel der Förderung ihrer Selbstbestimmung im Sinne des Sozialgesetzbuches (SGB) IX in den Mittelpunkt.
Der Leistungskatalog der Unfallversicherung ist vielfältig und übersteigt im Regelfall den Leistungsumfang der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Eine weitere Besonderheit ist, dass es in der Unfallversicherung keine Selbstbeteiligung oder Zuzahlung der Betroffenen für erforderliche Leistungen gibt.
Nach einem Arbeitsunfall, einer Berufskrankheit oder auch bei einer drohenden Berufskrankheit und somit auch bei Versicherten, bei denen das Parkinson-Syndrom als Berufskrankheit bzw. „Wie-Berufskrankheit“ anerkannt wurde, sichert die gesetzliche Unfallversicherung – sofern noch vorhanden – bestehende Beschäftigungsverhältnisse mit allen geeigneten Mitteln. Hierzu erbringen die Unfallversicherungsträger primär Leistungen der medizinischen Rehabilitation und, wo dies nicht ausreicht, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (z. B. Umschulungen).
Parallel dazu werden bei Bedarf Hilfen zur Bewältigung der Anforderungen des täglichen Lebens und zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sowie zur Führung eines möglichst selbstständigen Lebens bereitgestellt. Ebenso erbringt die gesetzliche Unfallversicherung ergänzende Leistungen, um den Erfolg der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe zu erreichen und zu sichern (Reisekosten, Kraftfahrzeughilfe, Hilfsmittel, Wohnungshilfe).
Die Leistungen der Unfallversicherung können darüber hinaus, je nach Schwere der Erkrankung, auch Geldleistungen an Versicherte (z. B. Lohnersatzleistungen und Rentenleistungen) sowie – im Todesfall – Hinterbliebenenleistungen (z. B. Witwen-/Witwer- und Waisenrenten) umfassen.
Für Versicherte, die infolge der Parkinsonerkrankung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens in erheblichem Umfang fremder Hilfe bedürfen, wird Pflegegeld gezahlt oder Haus- bzw. Heimpflege gewährt. Das Pflegegeld hat den Zweck, pflegebedingte Mehraufwendungen pauschaliert abzugelten, um die notwendige Betreuung und Hilfe bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens soweit wie möglich sicherzustellen und hilfebedürftigen Personen ein selbstbestimmtes, bedürfnisorientiertes Leben zu ermöglichen. Das Ausmaß des Hilfebedarfs und damit die Höhe des Pflegegeldes richtet sich nach dem Gesundheitsschaden durch den Arbeitsunfall bzw. die anerkannte Berufskrankheit des Versicherten und dem dadurch bedingten Umfang der notwendigen Hilfe.
Weitere Informationen können der Webseite der SVLFG unter folgendem Link entnommen werden: www.svlfg.de/welche-leistungen-kann-ich-im-ernstfall-erwarten

Information und Hilfe
Die SVLFG bietet eine Servicenummer für Fragen rund um das Thema Parkinson-Syndrom als Berufskrankheit an unter 0561 785-10350. Auf der Internetseite sind außerdem die Antworten auf häufig gestellte Fragen unter www.svlfg.de/faq-parkinson veröffentlicht.

Über den Autor

Quelle: Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau, Weißensteinstraße 70 – 72, 34131 Kassel

News & Infos

News & Infos

Saisonstart Erdbeeren – Wie sind die Aussichten?

Die Erdbeersaison 2023 ist noch jung. Die Gedanken der Branche kreisen jedoch schon seit Monaten um sie.

Eva Würtenberger
5600
News & Infos

Obstsalat - der neue Podcast der Fachgruppe Obstbau

“Obstsalat” ist der neue Podcast der Fachgruppe Obstbau. Joerg Hilbers und Jens Stechmann diskutieren in der ersten Ausgabe über das Klageverfahren der Bundesfachgruppe Obstbau zum Glyphosat-Verbot in Wasserschutzgebieten. Außerdem informieren sie über den Zulassungsstand des Fungizids Captan und über die Kampagne zur Öffentlichkeitsarbeit für deutsche Erdbeeren.

Fachgruppe OBSTBAU
0
News & Infos

SUR: ZVG entsetzt über Verschärfung im Draft Report

Mit deutlicher Ablehnung reagiert der Zentralverband Gartenbau (ZVG) auf die Änderungsvorschläge der EU-Abgeordneten und Berichterstatterin Sarah Wiener zur neuen Verordnung zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (Sustainable Use Regulation – SUR).

ZVG
6078
News & Infos

BVEO-Gremientagung:

Vom 22. bis 23. März 2023 diskutierten die Mitglieder der Bundesvereinigung der Erzeugerorganisationen Obst und Gemüse (BVEO) über die Schwerpunkte der aktuellen Markt- und Förderentwicklung des Sektors.

BVEO
6554
News & Infos

Online-Seminar für eine moderne Azubi-Werbung:

Mit einem neuen Service-Angebot für Ausbildungsbetriebe möchte der ZVG die Arbeit in den Landesverbänden unterstützen. Am 28. April startet die neue Reihe „Digitaler Toolsnack“.

ZVG
5101
News & Infos

Verbot unlauterer Handelspraktiken: Tätigkeitsbericht der BLE für 2022

Am 09. Juni 2021 ist das Agrarorganisationen- und Lieferkettengesetz (AgrarOLkG) in Kraft getreten. Es setzt die UTP-Richtlinie der EU um, die einen einheitlichen Mindestschutzstandard zur Bekämpfung von unlauteren Handelspraktiken in der Lebensmittellieferkette vorgibt.

BLE
5634
News & Infos

Werbung für deutsche Erdbeeren

Fachgruppe OBSTBAU
409
News & Infos

Umgang mit Medien

Gelungenes Web-Seminar der Fachgruppen Obst- und Gemüsebau, gemeinsam mit dem Netzwerk Spargel- und Beerenverbände.

Dr. Annette Urbanietz
0
News & Infos

Apfelmarkt pulsiert

Die Stimmung in der Apfelbranche hat sich seit dem Jahreswechsel etwas verbessert.

Helwig Schwartau
0
News & Infos

Kontrollen belegen: Landwirte in NRW nutzen Erntehelfer nicht aus!

Der Präsident des Provinzialverbandes Rheinischer Obst- und Gemüsebauer, Georg Boekels, hat die Vorwürfe von Maria Noichl, Agrarpolitische Sprecherin der SPD-Abgeordneten im Europaparlament, „auf das Schärfste zurückgewiesen.

RLV
6578
News & Infos

QS-Rückstandsmonitoring Obst, Gemüse, Kartoffeln 2022: 99,33 % der Proben ohne Beanstandung

Das Rückstandsmonitoring im QS-System überwacht bei Obst, Gemüse und Kartoffeln, ob geltende Rückstandshöchstgehalte für Pflanzenschutzmittel und Grenzwerte für Schadstoffe und Nitrat eingehalten werden.

QS Qualität und Sicherheit GmbH
6485
News & Infos

„Kleinbeihilfe Agrar“: 35 Millionen Euro ausgezahlt

Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) hat 8.129 Anträge auf „Kleinbeihilfen zur Stützung von Landwirtschaftsunternehmen wegen der wirtschaftlichen Auswirkungen infolge der Aggression Russlands gegen die Ukraine“ genehmigt.

BLE
6340
Anzeige