Zukunft zulassen
Keinen interessiert, dass das Gen für Humaninsulin in Bakterien eingebracht wurde und auf diese Weise heute in industriellem Maßstab produziert werden kann. Oder dass der Käse mit gentechnisch produziertem Lab fermentiert wurde.
Im Pflanzenbau ist Gentechnik hingegen seit jeher umstritten. Gegner betonen die Risiken für Mensch und Umwelt, Befürworter bezeichnen Gentechnik als „Schlüsseltechnologie“ beim Kampf gegen Armut und Hunger. Neutrale wissenschaftliche Studien gibt es kaum. Das Ziel wird nicht selten vom Auftraggeber vorgegeben: Die in den USA sehr starke Lobby der Saatgutindustrie will ihre Produkte bestmöglich auf dem Markt platzieren. In Europa hingegen überwiegt die spendenbasierte Lobbyarbeit von NGO’s wie Greenpeace, BUND oder NABU. Sie warnen vor den Risiken für Mensch, Tier und Umwelt und können sich dabei auf einen breiten Rückhalt in der Bevölkerung stützen.
Im Obstbau ist das noch Zukunftsmusik. Das bedeutet nicht, dass nicht weltweit an der Entwicklung von transgenen Obstsorten gearbeitet wird. Jedoch verläuft die Forschung hier langsamer und überlegter. Alle Formen der Züchtungsforschung verfolgen sogar die gleichen Ziele: Resistenz, Fruchteigenschaften, Blüh- und Reifezeitpunkt, Frosttoleranz.
Doch welche Vorteile bringt die Gentechnik, wenn alle Ziele auch mit Hilfe konventioneller Kombinationszüchtung erreichbar sind?
Im Apfelanbau beispielsweise fordert der Verbraucher rückstandsfreie Früchte. Gleichzeitig haben die Verbraucher, anders als bei Steinobst oder Beerenobst, genaue Sortenpräferenzen. Diese beliebtesten Sorten sind aber sehr anfällig.
Wird die konventionelle Züchtung genutzt, um Resistenzen aus Wildarten und robusten Kultursorten einzukreuzen, wird das Produkt eines Jahrzehnte dauernden Zuchtprozesses eine völlig neue Sorte sein, die entsprechend am Markt eingeführt werden muss.
Mit gentechnischen Methoden ist es hingegen möglich, in relativ kurzer Zeit Gene in am Markt etablierte Sorten einzuschleusen. Im Obstbau setzt man dafür mittlerweile auf apfeleigene Gene. Die gentechnisch veränderte Sorte enthält somit am Ende also nur arteigene Resistenzgene, die auch mit konventioneller Züchtung übertragen werden könnten. Deshalb wird das Produkt nicht als „transgen“ (trans = jenseits der Artgrenzen), sondern als „cisgen“ (cis = diesseits) bezeichnet. Die Markteinführung würde entfallen – ein ‘Gala’ bliebe ein ‘Gala’, nur müsste man ihn weniger spritzen.
Weniger Pflanzenschutzmittel, die gleiche Sorte und keine artfremden Gene – da müsste doch jeder Verbraucher sofort „Ja!“ schreien? Nicht unbedingt. Das unterschwellige Unbehagen in Bezug auf gentechnisch veränderte Lebensmittel ist bei Obst noch viel stärker ausgeprägt als bei verarbeiteten Produkten. Da helfen auch noch so wissenschaftlich fundierte Argumente nicht: „Ich muss gar nicht begründen, warum ich Gentechnik ablehne. Es ist mein gutes Recht, frei zu entscheiden, was ich esse“, heißt es dann.
Aber im weltweiten Vergleich stehen wir mit dieser Haltung weitgehend alleine da. Gentechnik ist auf dem Vormarsch. Deutschland und Europa werden nicht auf Dauer die Insel der Glückseligen bleiben. So erhielt Monsanto z. B. im November 2013 die Genehmigung, nach Europa den Mais „SmartStax“ als Lebens- oder Futtermittel einführen zu dürfen. In das Gewächs haben Biologen mehrere Gene fremder Arten eingeschleust, sodass die Pflanze nun sechs verschiedene Insektengifte produziert und resistent gegen zwei Herbizide ist.
Anbau nein – aber Konsum ja? Die Diskussion um die Kennzeichnungspflicht von gentechnisch veränderten Bestandteilen von Lebensmitteln ist in vollem Gang. Ist ein Rind, das mit transgenem Mais gefüttert wurde, vermarktungsfähig? Der Verbraucher müsse die Wahl haben, ob er die mit Gentechnik verbundene Wirtschaftsweise durch einen Kauf unterstützen möchte – auch wenn das Produkt selber keine transgenen Bestandteile mehr enthält. So argumentieren Verbraucherschützer.
Vor der gleichen Situation stünde der Obstbau auch, wenn cisgene Sorten einmal zur Marktreife gebracht würden. Wird der Verbraucher die Früchte akzeptieren? Viele von uns würden diese Frage spontan mit „nein“ beantworten. Aber können wir es uns wirklich leisten, uns dieser neuen Technologie langfristig zu verschließen? Es ist wichtig, dass wir als Berufsstand möglichst bald klar Position zur Gentechnik im Obstbau beziehen:
Lehnen wir sie ab oder befürworten wir sie?
Unterscheiden wir zwischen trans- und cisgenen GVO‘s?
Unterstützen wir die angewandte Forschung in ihrem Ansinnen, cisgene Linien von eingeführten Sorten zu erstellen?
Soll der Berufsstand die Zulassung cisgener Sorten für den deutschen Anbau befürworten bzw. vorantreiben?
Oder sollen wir auf Sorten aus konventioneller Züchtung bestehen und gemeinsam die Markteinführung neuer Sorten unterstützen?
Diese Fragen werden wir zeitnah in allen Gremien auf Landes- und Bundesebene diskutieren müssen. Offen, ohne ideologische Vorbehalte und auf Basis valider Fachinformation.
Letztendlich aber wird doch der Verbraucher entscheiden, denn nur wenn wir unsere Früchte auch verkaufen können, kann Gentechnik eine Chance für die Zukunft sein.
Jens Stechmann Jörg Disselborg
- Bundesvorsitzender - - Geschäftsführer -
Verwandte Artikel
Editorials
Mit Zuversicht und Unternehmergeist ins neue Jahr!
Mit dem Jahresbeginn jähren sich die Bauernproteste und Treckerdemos, die für die Fachgruppe Obstbau auch zu intensiveren Gesprächen mit der Bundespolitik geführt haben.
Liebe Obstbäuerinnen und Obstbauern, liebe Obstbauinteressierte
zum Ende eines aufregenden und durchwachsenen Obstjahres ziehen wir Bilanz.
Strukturveränderungen im LEH: Eine Chance für den Obstbau?
Seit Jahren verfügen die vier „Großen“ im Lebensmitteleinzelhandel, EDEKA/NETTO, REWE/PENNY, ALDI sowie die Schwarz-Gruppe mit LIDL und Kaufland, über einen stabilen Marktanteil von fast 80 %.
„Gemischte Gefühle…“ oder auch „Licht und Schatten…“
Mit den drei verschiedenen Titelbildern möchten wir die aktuell so unterschiedliche Situation auf den Obstbaubetrieben darstellen:
Endlich auskömmliche Erzeugerpreise erwartet – wenn man Äpfel hat…
Mit prognostizierten knapp 800.000 t erwartet Deutschland eine der schwächsten Apfelernten der letzten 20 Jahre und mit geschätzt 10,2 Mio. t Äpfeln wird auch die europäische Apfelernte deutlich unter den Ernten der vergangenen Jahre liegen.
Frosthilfen der Länder und der EU: Kompatibilität notwendig!
Ca. 25 % der deutschen Apfel- und ca. 40 % der deutschen Kirschernte ist den Blütenfrösten Ende April und Anfang Mai zum Opfer gefallen – mit erheblichen regionalen Unterschieden.
Außer-Haus-Verpflegung: Bio und/oder regional?
Täglich nehmen etwa sechs Millionen Menschen die sogenannte Außer-Haus-Verpflegung (AHV) in Anspruch, essen also in Kitas, Mensen, Schulen, Seniorenheimen, Kantinen u.s.w.
Frostschäden für Betriebe in betroffenen Regionen existenzbedrohend
Schon unmittelbar nach den Frostnächten vom 21. bis 23. April 2024 war bei der Klimawandel-bedingt extrem weit vorangeschrittenen Vegetation zu befürchten, dass die Schäden in den betroffenen Regionen sehr hoch sein würden.
Extreme Witterung im April – Situationsbericht Obstbau
Vollblüte und zum Teil auch schon Abblüte Mitte April in den meisten Baumobstanlagen Deutschlands – jährlich verzeichnen wir neue Rekorde, die Meteorologen auf den Klimawandel zurückführen.
Zu wenig Zukunft im Zukunftsprogramm Pflanzenschutz…
… so titelt die Pressemitteilung des Zentralverbandes Gartenbau zum neuen Pflanzenschutzstrategiepapier der Bundesregierung – und trifft es damit auf den Kopf.
„Es geht auch anders…“
So schlimm, wie viele es befürchtet haben, ist es nicht gekommen. Im Gegenteil: Die Proteste der Landwirtschaft waren beeindruckend und nachdrücklich, aber wohlorganisiert, friedlich und demokratisch.
Obstbau – In diesen Tagen sind wir Landwirte!
So schlimm, wie viele es befürchtet haben, ist es nicht gekommen. Im Gegenteil: Die Proteste der Landwirtschaft waren beeindruckend und nachdrücklich, aber wohlorganisiert, friedlich und demokratisch.