Zu wenig Zukunft im Zukunftsprogramm Pflanzenschutz…
… so titelt die Pressemitteilung des Zentralverbandes Gartenbau zum neuen Pflanzenschutzstrategiepapier der Bundesregierung – und trifft es damit auf den Kopf.
Mit dem Mitte März vom Bundeslandwirtschaftsministerium vorgelegten Entwurf eines Pflanzenschutzkonzepts soll, wie im Koalitionsprogramm angekündigt, die Menge und das Risiko von Pflanzenschutzmitteln bis 2030 um 50 Prozent gesenkt werden. Anders als in der gescheiterten SUR soll das Ziel nun, in Anlehnung an das Biodiversitätsstärkungsgesetz aus Baden-Württemberg oder den Niedersächsischen Weg, mit einem kooperativen Ansatz, d. h. mit Modellregionen, finanziellen Anreizen, Beratungsangeboten, Forschung usw. erreicht werden. Die pauschale Minderung um 50 Prozent bleibt aber eine aus dem Raum gegriffene, rein politische und fachlich nicht zu begründende Zahl.
Grundsätzlich und bedauerlicherweise sind viele der Vorschläge in dem Papier praxisfremd. Die Wertschöpfung bei Obst und Gemüse durch eine Bewerbung von (mit geringerem Pflanzenschutzmittelaufwand produzierten) Früchten relevant zu erhöhen, ist, wie auch die angestrebte Erhöhung des Ökoanteils auf 30 Prozent, bei der absehbar sich nicht ändernden Marktlage schlichtweg illusorisch.
Völlig inakzeptabel ist der (auch mit einem Erschwernisausgleich nicht zu kompensierende) Verzicht auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in Trinkwasserschutzgebieten – analog zu bestehenden Regelungen in Naturschutzgebieten. Außerdem soll die Einführung einer Pflanzenschutzmittel-Steuer oder eines Abgabe-/Lizensierungssystems geprüft werden. Vorschläge zur dringend notwendigen Verbesserung bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln in Lückenindikationen enthält das Papier hingegen nicht.
In den nun laufenden Beteiligungsprozess der Verbände sind wir eingebunden. Mit allem Nachdruck weisen wir dort darauf hin, dass ein solches Konzept fachlich nicht zu begründen und für den Obstbau nicht tragbar ist. So liegen ca. 15 Prozent der deutschen Obstbauflächen in Wasserschutzgebieten – und dies bislang in guter Kooperation mit den Trinkwasserverbänden und ohne Probleme für die Trinkwasserqualität. Schon das weiterhin vorgesehene Anwendungsverbot von Glyphosat in Wasserschutzgebieten, gegen das wir uns nach wie vor wehren, ist nicht begründbar. Es stellt vielmehr eine unzumutbare Benachteiligung für die betroffenen Betriebe dar – und ein finanzieller Ausgleich erfolgt bisher nicht.
Im Obstbau gibt es neben den hohen Anforderungen an eine Regulierung der Schadpilze und des Beikrauts mehr als 80 tierische Schaderreger. Für bedeutsame Schädlinge wie die Kirschfruchtfliege oder die Apfelblutlaus fehlen jetzt schon dringend notwendige Insektizid-Zulassungen.
Unser Fazit bislang: Die Vorschläge des Landwirtschaftsministeriums werden dem Anspruch eines Zukunftsprogramms Pflanzenschutz nicht gerecht, sondern haben den Charakter eines fachlich nicht zu begründenden Reduktionsprogramms. Es bleibt zu hoffen, dass die politisch Verantwortlichen im nun laufenden Beteiligungsprozess der Verbände diesen Fehler korrigieren und das tun, was Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir auf den Norddeutschen Obstbautagen und der Fruchtwelt Bodensee verkündet hat: Nämlich nicht über die Praxis hinweg zu entscheiden, sondern praxisnahe Entscheidungen im Dialog mit dem Berufsstand zu erarbeiten.
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