Wir müssen nicht groß drum herum reden…
Und auch diese Formulierung ist lange nicht in der Schärfe gewählt, mit der aktuell diskutiert wird. Das Jahr 2014 wird uns allen wohl nicht in bester Erinnerung bleiben.
Schon im Wahlkampf zur Bundestagswahl 2009 stand die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes ganz oben auf der Agenda, vor allem bei der SPD. Und nach dem Wahlergebnis 2013 im Bund war dann schnell klar, dass ein Mindestlohn kommen wird. Die dann im Koalitionsvertrag formulierte Absichtserklärung, die besonderen Belange der Saisonarbeit bei Einführung eines Mindestlohnes berücksichtigen zu wollen, verbuchten wir und alle anderen Verbände der Landwirtschaft und des Gartenbaus zunächst als Erfolg. Schließlich haben wir über Jahre hinweg auf die negativen Konsequenzen einer gesetzlichen Lohnfindung für Saisonarbeitskräfte hingewiesen. Bundesministerin Nahles hat das Mindestlohngesetz jedoch mit Rückendeckung der Parteivorsitzenden Merkel, Gabriel und Seehofer und ohne jede Berücksichtigung unserer Belange durchbringen können. Ja, es hat politische Mandatsträger gebeten, die uns ihre Unterstützung in den Diskussionen um die Einführung einer Ausnahmeregelung für die Saisonarbeit zugesichert haben. Und doch haben im Bundestag nur fünf Abgeordnete gegen den Gesetzentwurf gestimmt – eine bittere Enttäuschung für uns. Es ist uns auch nicht gelungen, Allianzen mit den Gemüse- oder Weinbauern zu schmieden, so dass wir allein auf breiter Front agierten. Trotz unermüdlicher Arbeit haben wir nur wenig erreicht, denn die im politischen Raum als Erfolg für die Belange der Saisonarbeit verkauften Ausnahmeregelungen sind nur ein schlechter Witz und ein Schlag ins Gesicht eines jeden Obstbauern. Der Mindestlohn ist und bleibt ein Damoklesschwert und die Suche nach Entschärfungsmöglichkeiten wird eine der Kernaufgaben für uns in den nächsten Jahren sein.
Mit großer Sorge und zum Teil auch ängstlich beobachten wir die Kirschessigfliege. Wir kennen diesen Schädling seit 2011 und das Jahr 2014 kann als erstes „Kirschessigfliegen-Jahr“ in Deutschland bezeichnet werden. Betroffen waren Himbeeren, Brombeeren, Kirschen, Pflaumen, Holunder, remontierende Erdbeeren und auch der Weinbau. Um der Fliege Herr zu werden, brauchen wir eine umfassende Bekämpfungsstrategie, die sich nicht nur auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln stützen kann. Auch auf unser Drängen hin hat Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt hierzu einen Runden Tisch von BMEL, BVL, JKI, BfR, den Pflanzenschutzdiensten der Länder, der chemischen Industrie sowie Obstbau und Weinbau einberufen. Kurzfristig benötigen wir für 2015 die Zulassung unter anderem von Spinosad, zur Resistenzvermeidung sind aber auch weitere Wirkstoffe notwendig. Entsprechende Anträge auf Notfallzulassungen hat die Fachgruppe Obstbau bereits gestellt. Unser Landwirtschaftsministerium hat weitere Forschungsmittel zugesagt. Wir müssen nun aktiv daran mitwirken, dass die Gelder zielgerichtet eingesetzt werden.
Die Zulassungssituation für Pflanzenschutzmittel in Deutschland verschlechtert sich weiterhin. Die Industrie stellt weniger Anträge auf reguläre Zulassungen in den Sonderkulturen, dadurch werden mehr Zulassungserweiterungen erforderlich. Insbesondere Zulassungen von Insektiziden und Fungiziden werden in der Zukunft schwieriger. Eine vergleichbare Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln in der EU liegt nach wie vor in weiter Ferne. Es gibt vielfältige Anstrengungen, die auch von deutscher Seite auf europäischer Ebene unternommen werden, um die Verfahren zu beschleunigen. Doch konkrete Lösungen für eine beschleunigte und harmonisierte zonale Zulassung und die gegenseitige Anerkennung gibt es noch nicht. Bisher fehlen einheitliche Bewertungsgrundsätze und Risikomanagementmaßnahmen. Damit muss Schluss sein – deutsche Alleingänge zu Lasten der Obsterzeuger darf es nicht mehr geben.
Die Wirtschaftsbereiche Landwirtschaft und Gartenbau und insbesondere der Obstbau als Sonderkultur unterliegen in den letzten Jahrzehnten verstärkt dem Einfluss zunächst gesellschaftlich und dann politisch motivierter Strömungen. Die resultierenden Herausforderungen waren und sind enorm - und doch gibt es uns noch. Die Fachgruppe Obstbau wird alles daran setzen, dass dies so bleibt.
Wir wünschen Ihnen und Ihren Familien eine ruhige, besinnliche Adventszeit und ein frohes Weihnachtsfest.
Jens Stechmann Jörg Disselborg
- Bundesvorsitzender - - Geschäftsführer -
Verwandte Artikel
Editorials
Zeitenwende – auch für den Obstbau?
Der Überfall der Ukraine markiert eine Zeitenwende in der Geschichte unseres Kontinents.
Des Kaisers neue Kleider…
Manchmal lassen uns Aussagen von Exponenten der Bio- oder NGO-Szene aufhorchen.
Deutliches Votum der Delegierten für IP 2030
Mit gemischten Gefühlen sind wir beide am 12. Januar 2022 in die Schwerpunktveranstaltung der Delegiertentagung zur Vorstellung und Diskussion des Nachhaltigkeitsprojektes IP 2030 gegangen.
Sachkundenachweis für Minister?
Die durch die neue Bundesregierung geplante erhebliche Erhöhung des Mindestlohns sowie die in den vergangenen Monaten zu verzeichnende massive Steigerung auch anderer Produktionskosten bleiben die beherrschenden Themen auf den Betrieben in diesem noch jungen Jahr 2022.
Getrübte Stimmung zum Jahresende – Zeit zum Nachdenken
36 Obstbaubetriebe nehmen monatlich an der Geschäftsklimaumfrage des Zentralverbandes Gartenbau teil.
Erhöhung des Mindestlohns trifft den Obstbau mehr als hart
Das von den Verhandlungsführern der SPD, Grünen und FDP vereinbarte Ergebnis der Sondierungsgespräche kam leider nicht unerwartet.
Anwendungsverbot von Glyphosat in WSG faktisch nicht zu begründen
Zur Drucklegung dieser Zeilen wissen wir noch nichts über den Ausgang der Bundestagswahlen am 26. September.
Hochwasserkatastrophe – keine existentiellen Schäden in Obstbaubetrieben
Die verheerenden Schäden durch die Hochwasserkatastrophe ganz im Westen Deutschlands haben kaum vorstellbare Schäden verursacht
Einigung zum Aktionsprogramm Insektenschutz
Parallele Verhandlungen der Agrarministerkonferenz über die Pflanzenschutzanwendungsverordnung und der Ausschüsse Umwelt und Ernährung des Deutschen Bundestages über das Bundesnaturschutzgesetz haben zu einer Einigung zum Aktionsprogramm Insektenschutz geführt.
Der Umgang mit dem Risiko…
…von Schäden durch Blütenfrost, Hagelereignissen und Dürre ist eine der größeren Herausforderungen für den Obstbau.