Mit Einführung der ersten Richtlinie für die Kontrolliert Integrierte Produktion im Jahr 1990 haben wir deutschen Obst- und Gemüsebauern Maßstäbe gesetzt.
Das System ist flexibel und dynamisch, in allen Richtungen offen für Anpassungen und hat die wirtschaftliche Erzeugung von qualitativ hochwertigem Obst und Gemüse zum Ziel. Dies geschieht unter vorrangiger Berücksichtigung ökologisch abgesicherter Methoden und unter Beachtung aller ökonomischen Erfordernisse. Der integrierte Pflanzenschutz ist wesentlicher Teil der Gesamtstrategie und dann bereit für Weiterentwicklungen, wenn das Ziel nicht aus den Augen gelassen wird.
Die im letzten Editorial beschriebene Sitzung des Forums zum Nationalen Aktionsplan für einen nachhaltigen Pflanzenschutz (www.nap-pflanzenschutz.de) ist überstanden. Unter anderem wurde über mögliche Weiterentwicklungen des integrierten Pflanzenschutzes diskutiert. Wir haben hier klare Positionen bezogen:
• Der integrierte Ansatz hat sich in der Praxis bewährt, muss aber kontinuierlich weiterentwickelt werden.
• Den integrierten Pflanzenschutz per Rechtsverordnungen zu regeln, ist schon im Ansatz falsch. Die Variabilität der natürlichen Einflüsse auf unsere Produktion lässt sich nicht in einen starren Rahmen pressen – und schon gar nicht aus der Praxisferne.
• Das Potenzial sinnvoller integrierter und präventiver Ansätze im Pflanzenschutz kann zurzeit nicht voll ausgeschöpft werden. Denn der hohe Kostendruck und die teilweise schlechte Preissituation schränken die notwendige Risikobereitschaft unserer Betriebe ein. Die Restriktionen des Handels verhindern die Berücksichtigung der grundlegenden Prinzipien der Schadschwellen und des Resistenzmanagements.
• In den Sonderkulturen fehlen uns wichtige Pflanzenschutzmittel. Die Mittelverfügbarkeit ist katastrophal schlecht. Wir sind unmittelbar abhängig von Notfallzulassungen. Zudem fehlen konkurrenzfähige und ausreichend wirksame biologische und biotechnische Verfahren.
• Vorhandene Schadschwellen müssen angepasst werden. Für die Fülle neuer Schaderreger fehlen Schadschwellen, sie müssen entwickelt werden.
• Wenn wir im Sinne einer integrierten Produktion Netze, Folien und Tunnel in und über unsere Anlagen bringen, dann muss dies uneingeschränkt möglich sein und von allen Seiten akzeptiert werden. Hier fehlt ein grundlegendes und verlässliches Konzept der Bundesländer.
Der Schlüssel zum Erfolg und der effektivste Schritt, integrierte Ansätze in der Praxis zu verankern, ist und bleibt die Beratung. Und die Beratung basiert auf einem qualifizierten und praxisorientiertem Versuchswesen. Haushaltsdefizite in den Bundesländern führen dazu, dass die Beratung und das Versuchswesen seit Jahren drastisch abgebaut werden. Wenn Bund und Länder den Nationalen Aktionsplan und die Weiterentwicklung des integrierten Pflanzenschutzes tatsächlich ernst nehmen, dann darf nicht weiter abgebaut werden. Versuchswesen und Beratung müssen im Gegenteil sogar ausgebaut werden.
Auch die angewandte und praxisorientierte Forschung für den Obstbau findet seit Jahren mit sinkender Intensität statt. Möglichkeiten bei der Sortenzüchtung (einschließlich gentechnischer Verfahren), bei der Entwicklung von Prognosemodellen und Entscheidungshilfen, bei der Entwicklung neuer biologisch und biotechnischer Verfahren und bei der Entwicklung technischer Innovationen im Bereich der Applikationstechnik bleiben ungenutzt. Innovationen aus der Pflanzenschutzindustrie sind zunehmend seltener geworden.
Neue Maßnahmen und Methoden bringen den integrierten Pflanzenschutz nur weiter, wenn diese von der Praxis auch übernommen werden. Und dies wird nur funktionieren, wenn die Betriebe wirtschaftlich in einem sich stetig verändernden Umfeld langfristig stabil aufgestellt sind. Deshalb geht unser dringender Appell an die Politik auf Landes- und Bundesebene, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass wir die Integrierte Produktion sinnvoll und nachhaltig gemeinsam weiterentwickeln können. Angesprochene Defizite müssen konkret aus der Welt geschafft werden, damit ausreichend Spielraum und Handlungsfreiheit für die Praxis entsteht.
Unter dem Motto „Wir haben es satt“ sind am 18. Januar 2014 anlässlich der Grünen Woche rund 25.000 Demonstranten in Berlin zusammengekommen, um für eine bäuerliche und ökologischere Landwirtschaft zu demonstrieren.