Viele Betriebe fürchten um ihre Existenz. Die polemisierende Berichterstattung der letzten Wochen (wie z. B. durch das Münchner Umweltinstitut bzw. die Süddeutsche und tagesschau.de anlässlich der Bewertung von Pflanzenschutzeinsätzen aus dem Jahr 2017 in Südtirol) tut in dieser Situation besonders den Integriert wirtschaftenden Obstbauern weh. Mit der Schlagzeile „Wie das Gift auf den Apfel kommt“ wird assoziativ Vergiftung unterstellt, während Hinweise von unabhängigen Wissenschaftlern, Sachverständigen und zuständigen Bundesbehörden, dass dies eine Falsch- bzw. Überbewertung des Risikos von Pflanzenschutzmittelrückständen auf Obst ist, keine Chance auf öffentliche Wahrnehmung haben.
Und auch die Mitte Februar vom Bundeskabinett beschlossene Priorisierung von Öko-Obst bei der Gemeinschaftsgastronomie in öffentlichen Einrichtungen empfinden Integriert wirtschaftende Kollegen als weiteres Beispiel fehlender Wertschätzung durch die Politik.
Dass es eine Nachfrage für Obst gänzlich ohne Rückstände synthetischer Pflanzenschutzmittel gibt, schafft für ca. 15 % der Apfel-produzierenden Betriebe einen sich bislang in Balance befindlichen Markt, der mit der großen Ernte 2022 aber deutlich an seine Grenzen gekommen ist. Beim Apfel sind mit einem Anteil von 24 % an der Gesamtproduktionsfläche schon fast die von der Koalition geforderten Ziele von 30 % erreicht. Bei der Erdbeere hingegen zeigt der aktuelle Bio-Anteil von nur 2,6 % der Fläche die Grenzen der Machbarkeit einer Bio-Produktion bei dieser Obstart auf. Auch die Bereitschaft der Konsumenten zu Mehrpreis und Qualitätseinbußen ist hier anders als beim Apfel.
Die bisher auf Ebene der Erzeuger geführte spannende Debatte um Vor- und Nachteile der jeweiligen Produktionsform haben wir durchaus auch als kontrovers, fast immer aber als fachlich hoch anspruchsvoll, sachlich und kollegial erlebt. Polarisierende Berichterstattungen der Presse und auch die Äußerungen und das Verhalten einzelner PolitikerInnen sollten trotz der wirtschaftlich angespannten Situation unseren konstruktiven Dialog nicht stören.
Mit dem Wegbrechen der Zulassung von immer mehr synthetischen Pflanzenschutzmitteln, der zu erwartenden zunehmenden Verfügbarkeit widerstandsfähiger Sorten und der Verbesserung von biotechnischen Produktionsverfahren werden sich die Produktionsrichtungen in den kommenden Jahrzehnten ohnehin aufeinander zubewegen. Eine „Konfessionalisierung“ (Zitat B. Krüsken, DBV) der ökologischen oder Integrierten Produktionsform ist also nicht angebracht. Wir sollten und müssen weiter aufeinander zugehen und voneinander lernen.
Über den Autor
Jens Stechmann, Vorsitzender der Bundesfachgruppe Obstbau und Joerg Hilbers, Geschäftsführer der Bundesfachgruppe Obstbau.
Traditionell blicken wir an dieser Stelle auf das zu Ende gehende Jahr zurück und versuchen, mit Zuversicht Ideen und Ansätze für Konzepte notwendiger Entwicklungen im Obstbau aufzuzeigen.
In diesen Tagen, Anfang Oktober 2022, entscheiden Apfelerzeuger, ob sie ihre Bäume weiter beernten oder die aufwendig produzierten Früchte einfach hängen lassen.
Auch wenn der Start der Weichobsternte mit den Erdbeeren insbesondere im Süden mehr als enttäuschend verlief, konnten im weiteren Verlauf der Erdbeer-, Kirsch- und auch der Heidelbeerernte die hervorragenden Mengen und Qualitäten etwas über die explodierenden Produktionskosten, die einbrechenden Preise und die Kaufzurückhaltung unserer Kunden hinweghelfen.
Mit gemischten Gefühlen sind wir beide am 12. Januar 2022 in die Schwerpunktveranstaltung der Delegiertentagung zur Vorstellung und Diskussion des Nachhaltigkeitsprojektes IP 2030 gegangen.
Die durch die neue Bundesregierung geplante erhebliche Erhöhung des Mindestlohns sowie die in den vergangenen Monaten zu verzeichnende massive Steigerung auch anderer Produktionskosten bleiben die beherrschenden Themen auf den Betrieben in diesem noch jungen Jahr 2022.