Vorstand spricht mit Vertretern der Regierungskoalition und stellt Forderungen an die Politik
Wegfall der Pauschalierung, Beschlussfassung zur Erhöhung des Mindestlohns, Verwerfungen des Apfelmarktes, massive Steigerung der Betriebsmittelpreise, Einbruch des Konsums für Äpfel und die Preismisere bei Erdbeeren. Dass alle europäischen Anbaugebiete gut durch die Apfelblüte gekommen sind, verheißt bei diesen Rahmenbedingungen nun auch für die heranwachsende Ernte nichts Gutes.
Obwohl der Selbstversorgungsgrad bei Obst nur bei ca. 20 % liegt (Apfel 65 %) und der deutsche Obstbau mit seiner nachhaltigen Produktionsweise einen echten und nachweisbaren Beitrag für Umweltschutz und Biodiversität leistet, können anders als in den anderen grünen Branchen die steigenden Kosten auf einem in Europa insgesamt überversorgten Markt nicht weitergegeben werden.
Im Rahmen einer endlich wieder in Präsenz stattfindenden Gesamtvorstandssitzung konnten wir diese für viele Obstbaubetriebe sich dramatisch zuspitzende Situation Bundestagsabgeordneten aller Parteien der neuen Regierung darstellen. Die AgrarpolitikerInnen Sylvia Lehmann (SPD), Dr. Anne Monika Spallek (Bündnis 90/Grüne), Carina Konrad (FDP) und Ingo Bodtke (FDP) diskutierten mit uns Möglichkeiten und Lösungsansätze.
Einhellig machten die Vorsitzenden der Landesverbände den Bundespolitikern deutlich, dass der deutsche Obstbau nur wettbewerbsfähig bleiben kann, wenn die hohen Umwelt- und Sozialstandards honoriert werden. Für eine kurz- und mittelfristige Unterstützung wurde gefordert:
- Die im Ergänzungshaushalt vorgesehenen 120 Millionen Euro des EU-Krisenfonds für Hilfsmaßnahmen für Landwirtschaft und Gartenbau müssen auch für die vergleichsweise wenig Energie benötigenden Obstbaubetriebe zur Verfügung stehen.
- Infolge des Klimawandels verzeichnen wir ein vermehrtes Auftreten von Extremwetterereignissen. Um die Obstbaubetriebe abzusichern, sind Versicherungslösungen notwendig. Wir brauchen hier einen Beitragszuschuss zur Mehrgefahren-Versicherung, wie dieser bei vielen EU-Nachbarländern seit Jahren üblich ist. Hier sehen wir uns im Wettbewerb zu unseren Berufskollegen in den anderen EU-Mitgliedsstaaten im Nachteil.
- Zur Honorierung der besonderen Förderung der Artenvielfalt und des Klimaschutzes benötigen wir eine flächenbezogene Förderung von Nachhaltigkeitsprogrammen, z. B. in der GAP. Ansätze dieses Konzeptes liegen vor.
- In der gegenwärtigen Situation bewerten wir die vorgesehene deutliche Kürzung der Bundeszuschüsse zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung als ein falsches Signal. Stattdessen wäre eine Erhöhung gegenüber dem letzten Jahr erforderlich und ein Überdenken der derzeit gültigen Kappungsgrenze sinnvoll.
- Dringend notwendig ist eine moderne und zielführende Öffentlichkeitsarbeit in Verbindung mit einer Marketingkampagne, um die Verbraucher/innen über die Vorteile des Konsums von deutschem Obst zu informieren. Auch hier sind wir auf die Unterstützung der Politik angewiesen.
- Die Verfügbarkeit wirksamer Pflanzenschutzmittel, insbesondere der Insektizide, nimmt national und auf europäischer Ebene seit Inkrafttreten der Pflanzenschutzmittelverordnung (EG) 1107/2009 kontinuierlich ab. Einzelne Schaderreger sind nicht mehr ausreichend zu bekämpfen. Für einen gezielten und nützlingsschonenden Pflanzenschutz sind neue Zulassungen erforderlich.
- Im Obstbau wird die geforderte Reduktion des Glyphosat-Einsatzes bereits seit Jahren umgesetzt. Da nur die Baum- bzw. Pflanzstreifen behandelt werden, wird nur 1/3 der zugelassenen Aufwandmenge pro Hektar Anbaufläche ausgebracht. Die anderen 3/4 der Anbaufläche sind dauerbegrünte Fahrgassen (= Mulchstreifen), in denen keine chemische Beikrautregulierung erfolgt. Die Fachgruppe Obstbau fordert von den Entscheidungsträgern auf EU- und Bundesebene, kein generelles Zulassungsverbot von Glyphosat auszusprechen. Vielmehr soll geprüft werden, inwieweit sichere Anwendungen im Obstbau auch zukünftig ermöglicht werden können, bis praktikable Alternativen zur Verfügung stehen.
Den vier an der Diskussion teilnehmenden Bundestagsabgeordneten sind wir für ihr Engagement dankbar. Sie haben uns signalisiert, dass sie unsere Botschaften verstanden haben. Inwieweit aber die im Koalitionsvertrag vereinbarte Stärkung der Familienbetriebe und der Ausbau der Wertschöpfung unserer Produkte auch für den deutschen Obstbau greift, muss an den Taten der Regierung gemessen werden.
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