Die von der gesamten grünen Branche geforderte Ausnahmeregelung beim Mindestlohn für die Sonderkulturen widerspricht laut Bundeslandwirtschaftsministerium dem Diskriminierungsverbot im Grundgesetz.
Damit gilt ab 2026 voraussichtlich auch für den Obstbau ein Mindestlohn von 13,90 €/h und zum 1. Januar 2027 ist eine Anhebung auf 14,60 €/h zu erwarten. Dass bei der Einführung des Mindestlohns vor zehn Jahren trotz der Rechtsbedenken eine Ausnahme- bzw. Übergangsregelung möglich war, lässt aus unserer Sicht darauf schließen, dass bei der nun getroffenen Entscheidung der vorhandene politische Gestaltungsspielraum nicht genutzt wurde. Offensichtlich lässt der aktuelle Zustand der Regierungskoalition aus politisch-strategischen Gründen kein echtes Bekenntnis zum Erhalt der Sonderkulturen zu.
Die vorgesehene Erhöhung des Mindestlohns trifft unsere Branche hart und in Teilen existenziell. Obstbau ist Hand- und Saisonarbeit. In der Apfelproduktion setzen wir pro Hektar durchschnittlich etwa 500 Handarbeitsstunden an, bei der Erdbeere sind es etwa 2.500 Stunden. Damit kann man sich an einer Hand die zukünftigen Kostensteigerungen, die auf jeden Betrieb zukommen, ausrechnen. Eine ausreichende Kompensation durch Weitergabe der Kostensteigerung an unsere Kunden ist aufgrund der Marktsituation illusorisch. Die von Bundesminister Rainer in den Medien zitierten Ideen zur Kompensation (Bürokratieabbau, Senkung Stromsteuer, Abschaffung Gasspeicherumlage, 90 Tage-Regelung, Agrardiesel) können jedenfalls weder dem Obstbau noch den anderen Sonderkulturen helfen.
Deshalb werden wir im Schulterschluss mit den anderen Verbänden der grünen Branche nichts unversucht lassen, doch noch eine Ausnahme vom gesetzlichen Mindestlohn oder andere adäquate Entlastungsmöglichkeiten durchzusetzen.
Wenige Tage nach Bekanntgabe der Ablehnung einer Ausnahmeregelung konnten wir Bundesminister Alois Rainer in einem persönlichen Gespräch und in kleinem Kreis unsere Enttäuschung hierüber und die Sorge über die Zukunft des Obstbaus zum Ausdruck bringen. Für diesen kurzfristig angesetzten Termin sind wir sehr dankbar. Wir haben das Gespräch auch genutzt, um den Minister auf weitere dringende Probleme im Obstbau hinzuweisen und konkrete Lösungen vorgeschlagen.
Ganz vorn steht dabei, endlich Rechtssicherheit bei der sozialversicherungsfreien kurzfristigen Beschäftigung zu schaffen. Und um nicht noch mehr Obstbaubetriebe zu verlieren und um im europäischen Wettbewerb bestehen zu können, muss (wie in anderen europäischen Obstbauregionen auch) spürbar Geld auf die Betriebe. Eine Möglichkeit dazu wäre eine flächenbezogene Prämie für besondere Maßnahmen zur Biodiversität und eine Förderung von widerstandsfähigen Obstsorten zur Reduktion von Pflanzenschutzmitteln.
Weitere Vorschläge, die wir dem Minister gemacht haben, sind Unterstützungen beim Risikomanagement, etwa bei der Co-Finanzierung einer Mehrgefahrenversicherung oder bei der Schaffung einer steuerfreien Risikoausgleichsrücklage. Diese und andere Maßnahmen sind bei unseren Kollegen und Mitbewerbern aus Europa gesetzt.
Die grundsätzliche Frage, die sich unsere Gesellschaft und die verantwortliche Regierungskoalition stellen müssen, ist, ob der Obstanbau und auch die anderen Sonderkulturen in Deutschland in bisherigem Umfang bestehen bleiben sollen.
Über den Autor
Jens Stechmann, Vorsitzender der Bundesfachgruppe Obstbau und Joerg Hilbers, Geschäftsführer der Bundesfachgruppe Obstbau.
Als Produzenten von gesunden und sicheren Nahrungsmitteln leisten Obstbaubetriebe auch einen wesentlichen Beitrag zum Erhalt der Kulturlandschaft und des Landschaftsbildes.
Über mehrere Jahre hinweg haben wir uns in zahlreichen Diskussionen und Stellungnahmen in die Ausgestaltung des NAP eingebracht. Am 10. April hat die Bundesregierung ihn nun endgültig verabschiedet.
Trotz umfangreicher Forschungsaktivitäten haben wir bis heute keine durchgreifenden Bekämpfungsverfahren, die ohne antibiotikahaltige Mittel auskommen.
Das Jahr ist noch jung und schon erleben wir einen neuen Skandal um falsch ausgezeichnete Lebensmittel. Wegen des Pferdefleisch-Skandals wurden in Deutschland bereits mehrere Produkte aus dem Handel genommen.
Auf Bundesebene sind bereits alle Weichen in Richtung Bundestagswahl im September gestellt. Nach der Landtagswahl in Niedersachsen stehen in diesem Jahr noch die Wahlen in Bayern und Hessen an. In Niedersachsen kommt es zu einem Regierungswechsel, mit Folgen für die Bundespolitik.
Ein anstrengendes Jahr 2012 liegt hinter uns. Obwohl wir in Gemeinsamkeit mit anderen Verbänden der grünen Branche viel erreichen konnten, erwarten uns in diesem Jahr noch viele nicht abgeschlossene Baustellen.
Für uns völlig unverständlich plant die Bundesregierung die gesetzliche Festschreibung eines Versicherungssteuersatzes für Mehrgefahrenversicherungenvon 19 Prozent des Versicherungsbetrages.
Finden wir für unsere Betriebe noch genügend qualifiziertes Personal? Welche Ansprüche stellt der Obstbau heute und in Zukunft an Fachkräfte? Droht dem deutschen Obstbau der personelle Notstand? Oder reden wir nur von einem Mangel an günstigen und hochflexiblen Arbeitskräften?