Erst wenige Wochen ist die neue Bundesregierung im Amt.
In dieser kurzen Zeit konnten wir von Seiten des Berufsstandes bereits eine Reihe von persönlichen Gesprächen mit den gerade ernannten agrarpolitischen Vertretern der Regierungskoalition führen und auf unsere Kernprobleme hinweisen. Ein erster Termin auf einem Obstbaubetrieb in der Nähe von Berlin sowie ein Treffen im Bundestag zum Thema Captan waren dabei speziell dem Obstbau gewidmet, auf den Seiten 250 bis 252 berichten wir näher darüber. Die für uns wichtige Kernaussage der neuen politischen Vertreter war: Der deutsche Obstbau ist wichtig, der Selbstversorgungsgrad darf nicht noch weiter einbrechen.
Erdbeerfläche stark rückläufig – Baumobstfläche (noch) stabil Die neuen Zahlen des Bundesinformationszentrums Landwirtschaft (BZL) zur Entwicklung der obstbaulich genutzten Flächen in Deutschland belegen die Notwendigkeit des Handelns. Innerhalb von zwei Jahren hat sich die Produktionsfläche für Erdbeeren um über 3.000 Hektar auf nur noch 13.150 Hektar reduziert – ein deutliches Ergebnis der Mindestlohnsteigerung vom Oktober 2022. Von einer Kompensation durch den geschützten Anbau kann dabei kaum die Rede sein. Dessen Zuwachs hat sich stark verlangsamt, die Gesamtfläche der Erdbeerproduktion im Tunnel beträgt aktuell 2.046 ha.
Bei den Himbeeren stagniert der Trend vom Freiland in den geschützten Anbau, ebenfalls eine Folge der Mindestlohnsteigerung (s. Seite 275 in diesem Heft).
Die Fläche im Baumobst ist mit aktuell ca. 46.000 Hektar in den vergangenen zwei Jahren weitestgehend stabil geblieben. Aber Achtung: Hier wurde zwar kaum gerodet, jedoch deutlich weniger gepflanzt. Die jährlich von Dr. Hinrich Holthusen dokumentierten und in den Mitteilungen des Obstbauversuchsringes veröffentlichten Baumverkaufszahlen an der Niederelbe zeigen ein auch für ganz Deutschland repräsentatives Bild: Die Pflanzzahlen für Apfel, Kirsche und Zwetsche sind in den vergangenen Jahren um über 30 % eingebrochen. Lediglich bei der Birne gibt es einen leichten Zuwachs.
Zum Erhalt wirtschaftlich gesunder Kern- und Steinobstanlagen braucht es aber eine Umtriebszeit von durchschnittlich ca. 20 Jahren. Wird diese nicht erreicht, baut sich mit veralteten Anlagen ein Investitionsstau auf, der verheerende Folgen hat.
Interessant ist ein Blick auf die Entwicklung bei der Bio-Obstbaufläche. Relevante Zuwächse gab es nur bei den Heidelbeeren, hier ist die Fläche in den vergangenen zwei Jahren um knapp 190 Hektar gestiegen. Auffällig sind die starken Unterschiede in den Kulturen: Während beim Apfel mit aktuell 7.950 Hektar 24,1 % der Fläche ökologisch bewirtschaftet wird, sind es bei den Bio-Erdbeeren mit 359 Hektar lediglich 2,7 % der Fläche. Hier spielen die gravierenden Pflanzenschutzprobleme im Bio-Anbau von Erdbeeren eine maßgebliche Rolle.
Über den Autor
Jens Stechmann, Vorsitzender der Bundesfachgruppe Obstbau und Joerg Hilbers, Geschäftsführer der Bundesfachgruppe Obstbau.
Auch wenn sich nach zwei sehr schwierigen Jahren am Tafelapfelmarkt endlich eine etwas bessere Absatzsituation für die Erzeuger abzeichnet – die konzeptionelle Krise des deutschen Obstbaus bleibt bestehen und ist offensichtlich.
Am 22. Mai, zum Höhepunkt der Spargel- und zum Beginn der Erdbeersaison, titelte „ZDF-heute“, ebenso wie sinngemäß auch viele andere Medien: „Unhaltbare Zustände im Spargelanbau“.
Die deutschen Apfel-, Erdbeer-, Heidelbeer-, Kirsch- und Zwetschenkulturen sind in den meisten Regionen Deutschlands vergleichsweise gut durch die Phase der Blüte gekommen.
Die Äußerungen von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil am Osterwochenende sorgten bei Obstbauern für Entsetzen und führten bei nicht wenigen auch zu Verzweiflung.
Im Wettbewerb der europäischen Obstbauregionen sind die hohen und teuren Umwelt- und Sozialstandards für die deutschen Produzenten nachteilig bis ruinös.
Traditionell blicken wir an dieser Stelle auf das zu Ende gehende Jahr zurück und versuchen, mit Zuversicht Ideen und Ansätze für Konzepte notwendiger Entwicklungen im Obstbau aufzuzeigen.