Seit Jahren verfügen die vier „Großen“ im Lebensmitteleinzelhandel, EDEKA/NETTO, REWE/PENNY, ALDI sowie die Schwarz-Gruppe mit LIDL und Kaufland, über einen stabilen Marktanteil von fast 80 %.
An diese Machtsituation auf der Nachfrageseite hat sich der indirekt absetzende Teil unserer kleinen Obstbaubranche inzwischen mehr oder weniger gewöhnt. Vielleicht müssen wir aber unsere gewohnte Einschätzung „Produzieren ist das eine – Verkaufen das andere“ überdenken?
Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit hat sich LIDL in den letzten Jahren nicht nur zum größten Bäcker Deutschlands entwickelt, sondern ist z. B. auch bei Nudeln, Kaffee, Eis und Schokolade der landesweit größte Lebensmittelproduzent. Der Druck auf die kleineren Produzenten ist dementsprechend groß. So haben allein im Jahr 2022 über 700 handwerklich geführte Bäckereien in Deutschland ihren Betrieb aufgegeben.
Nun ist aber die landwirtschaftliche Urproduktion – und aus unserer Sicht natürlich besonders die obstbauliche Urproduktion – etwas Spezielles. Ein Obstbaubetrieb mit seinen komplexen Anforderungen und den vielen auch witterungsbedingten Unwägbarkeiten ist in unseren Augen eben nicht mit einem Bäckereibetrieb zu vergleichen (auch wenn der Bäcker das vielleicht anders sieht). Es gab in den letzten Jahrzehnten immer wieder Investoren und LEH-Konzerne, die wirtschaftlich Obstbau betreiben wollten. Bisher sind diese Initiativen eher weniger erfolgreich verlaufen.
Ein bisher kleiner, wenn auch nicht ganz neuer Ansatz der großen LEH-Konzerne, um auch im regionalen Obstbau eine gewisse Exklusivität zu erreichen und sich damit vielleicht auch etwas mehr Unabhängigkeit zu verschaffen, sieht auch deshalb ganz anders aus: Mit Sorteneigentümern, Obstbaubetrieben und Erzeugerorganisationen bzw. Fruchtgroßhändlern werden exklusive Produktions- und Vermarktungsverträge geschlossen. So produzieren seit einigen Jahren Obstbauern die Bio-Sorte Natyra® Integriert unter dem Markennamen Magic Star® für EDEKA. Und ganz neu sind die Kooperationen von ALDI SÜD mit der Züchtungsinitiative Niederelbe (ZIN) bzw. mit Frutania. Die exklusiv für ZIN-Mitglieder an der Hochschule Osnabrück gezüchtete Sorte ‘Red Passion’ wird mittlerweile in Norddeutschland auf einigen hunderttausend Bäumen nur für ALDI SÜD produziert, das die Früchte unter dem Markennamen „ALDIamo®“ vermarktet.
Nach ähnlichem Prinzip startete der Discounter jüngst mit einer eigenen Erdbeersorte, diesmal in enger Kooperation mit der Frutania GmbH. Auch diese Erdbeere mit dem Markennamen „ALDIna®“ wird ausschließlich von deutschen Erdbeerproduzenten angebaut.
Welches Potenzial haben diese Kooperationen für unsere Branche? Langjährige Anbauverträge im Obstbau sind erfahrungsgemäß eine schwierige Geschichte, die jüngsten Vereinbarungen sind vor diesem Hintergrund mit viel Sachverstand gestaltet worden. Mit größerem Interesse schauen wir deshalb auf die aktuellen Entwicklungen bei ALDI SÜD.
Aber erst einmal gratulieren wir allen Beteiligten für die Auszeichnung mit dem renommierten „ECR Award“, welchen die Kooperation der ZIN mit ALDI Süd in der Kategorie „Collaboration Excellence“ erhalten hat (s. Seite 544 in diesem Heft oder Ausgabe Nr. 9 unseres Podcasts „Obstsalat“).
Über den Autor
Jens Stechmann, Vorsitzender der Bundesfachgruppe Obstbau und Joerg Hilbers, Geschäftsführer der Bundesfachgruppe Obstbau.
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Die deutschen Apfel-, Erdbeer-, Heidelbeer-, Kirsch- und Zwetschenkulturen sind in den meisten Regionen Deutschlands vergleichsweise gut durch die Phase der Blüte gekommen.
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Im Wettbewerb der europäischen Obstbauregionen sind die hohen und teuren Umwelt- und Sozialstandards für die deutschen Produzenten nachteilig bis ruinös.
Traditionell blicken wir an dieser Stelle auf das zu Ende gehende Jahr zurück und versuchen, mit Zuversicht Ideen und Ansätze für Konzepte notwendiger Entwicklungen im Obstbau aufzuzeigen.