Sicherheit, Transparenz, Kontrolle und Qualität oder was hat Pferdefleisch mit dem Obstbau zu tun?

Jens Stechmann, Jörg Disselborg
4813

Das Jahr ist noch jung und schon erleben wir einen neuen Skandal um falsch ausgezeichnete Lebensmittel. Wegen des Pferdefleisch-Skandals wurden in Deutschland bereits mehrere Produkte aus dem Handel genommen.

Betroffen sind fast alle großen Ketten des LEH. Pferdefleisch fand sich vor allem in Tiefkühl-Lasagne und anderen Fertiggerichten günstiger Eigenmarken. Sogar in Dönerspießen hat die amtliche Kontrolle mit Pferdefleisch gestrecktes Rindfleisch gefunden. Und zwangsläufig hat umgehend eine Debatte um politische Konsequenzen begonnen. Bundesministerin Aigner spricht von „einem bisher unvorstellbaren Ausmaß“ und „großer krimineller Energie“. Die Lieferketten müssen nun gründlich durchleuchtet werden und alle Verstöße und Versäumnisse müssen offengelegt werden, um das verspielte Vertrauen der Verbraucher möglichst schnell zurückzugewinnen.

So einige unter uns werden bei Betrachtung des Pressewirbels um diesen Skandal aufatmen und denken, dass es unsere Branche glücklicherweise nicht getroffen hat. Auf den ersten Blick ist dies sicher zutreffend. Doch zeigt sich hier erneut, dass der gesamte Lebensmittelhandel und die komplette Wertschöpfungskette in vielen Berichterstattungen, Kommentaren und Diskussionen unreflektiert und oberflächlich in Sippenhaft genommen werden. Und was wird in der Folge nun passieren? Von Ministerin Aigner wurde bereits ein Nationaler Aktionsplan angekündigt, in dem eine europaweit verpflichtende Herkunftsbezeichnung, Frühwarnsysteme, DNA-Tests und vieles mehr eine Rolle spielen sollen. Und ganz sicher wird in diesem Zusammenhang auch der LEH die eigenen und sicher auch unternehmensspezifischen Sicherheitsanforderungen anpassen. Dieses Spiel kennen wir im Bereich Obst und Gemüse schon seit vielen Jahren, wenn es um die unsinnigen Restriktionen im Anwendungsbereich von Pflanzenschutzmitteln geht.

Nochmal genau den aktuellen Fleischskandal betrachtet, lässt sich auch feststellen, dass vorwiegend die Billigmarken des LEH betroffen sind. Vielleicht ein wenig zynisch, aber dennoch kann man sagen, dass eine Kombination aus Geiz der Verbraucher und Gier skrupelloser Lieferanten diesen und viele Skandale der Vergangenheit mit hervorgerufen haben. Dass wir als Verbraucher so wenig Achtung vor uns selbst haben und vor dem, was wir essen, ist erschreckend. Vielleicht ist es nicht einmal der eigentliche Skandal, dass Betrüger Pferd als Rind ausgegeben haben, sondern dass wir Verbraucher Betrügereien dieser Art sogar fördern. Wir erwarten beste Qualität, die aber nichts kosten darf. Zu unserem großen Bedauern gibt es eine derartige Einstellung auch zu Obst.

Wir werden nicht müde anzuprangern, dass das Wissen um den Ursprung und die Produktionsweisen unserer Nahrungsmittel in unserer Gesellschaft leider nicht mehr weit verbreitet ist. Viele Verbraucher haben keine Kenntnis mehr über die Realitäten in der Landwirtschaft. Die ausreichende Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln und niedrige Preise für Lebensmittel gelten als selbstverständlich. Unsere Leistungen in den Bereichen Sicherheit, Transparenz, Kontrolle und Qualität werden als selbstverständlich abgetan. Dass unsere Leistungen vom LEH und vom Verbraucher keine Anerkennung in barer Münze finden und durch unsinniges Sicherheitsgebaren sogar ad absurdum geführt werden, ist der eigentliche Skandal.

Und was bleibt uns für die Arbeit als Verband? Wir werden weiterhin die Gespräche mit dem Handel suchen, um gemeinsam an sinnvollen und tragfähigen Konzepten arbeiten, die dem Verbraucher in erster Linie Vertrauen schenken. Unser QS-System ist hier Vorreiter! Außerdem unternehmen wir alle Anstrengungen, der typischen und oft überzogenen Medienhysterie bei Lebensmittelkrisen den Nährboden zu entziehen. Hier helfen die persönlichen Gespräche mit den Kunden in der Direktvermarktung genauso wie die Kampagne „Deutschland – Mein Garten“ der deutschen Erzeugerorganisationen. Und auch das Engagement des Berufsstandes beim Schulobstprogramm ist ein wichtiger Baustein.

Am Ende haben wir doch alle ein großes gemeinsames Ziel: Gesundes und sicheres Obst aus Deutschland zu fairen Preisen. 

Jens Stechmann                            Jörg Disselborg
- Bundesvorsitzender -                 - Geschäftsführer - 

Editorials

Editorials

Zum Seminar nach Grünberg?

„Bildung ist nicht das Befüllen von Fässern, sondern das Entzünden von Flammen.“

Jens Stechmann, Joerg Hilbers
6028
Editorials

Den Widerspruch aufklären

Im erfolgreichsten Volksbegehren der Geschichte Bayerns „Rettet die Bienen“ forderten Anfang des Jahres innerhalb von zwei Wochen fast 1,8 Millionen Menschen ein Gesetz für mehr Umwelt- und Naturschutz.

Jens Stechmann, Joerg Hilbers
5117
Editorials

Drastische Unterschiede

Anfang August ist im Obstbau eine erste Vorabeinschätzung für den Erfolg oder Misserfolg des laufenden Wirtschaftsjahres möglich.

Jens Stechmann, Joerg Hilbers
5813
Editorials

Hallo, liebe Obstbäuerinnen und Obstbauern!

Als neuer Geschäftsführer der Bundesfachgruppe Obst grüße ich Sie erstmals herzlich.

Joerg Hilbers
7272
Editorials

Für ein starkes Europa

Die Wahl zum EU-Parlament ist auch für den Obstbau von besonderer Bedeutung, nicht nur aufgrund des Brexits und einer noch nicht geklärten Finanzplanung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach 2020.

Jens Stechmann, Jörg Disselborg
5037
Editorials

Zukünftige Verfügbarkeit von Insektiziden im deutschen Obstbau

In dieser Ausgabe von OBSTBAU finden Sie einen Sonderdruck, der sich mit der Verfügbarkeit von Insektiziden für den Obstbau in Deutschland auseinandersetzt.

Jens Stechmann, Jörg Disselborg
5371
Editorials

Artenvielfalt per Volksbegehren

Der Erfolg des Volksbegehrens „Rettet die Bienen“ in Bayern zeigt, dass sich Landwirte und Gärtner und der Rest der Bevölkerung noch fremder geworden sind.

Jens Stechmann, Jörg Disselborg
5257
Editorials

Alle Kosten im Griff?

Einmal im Monat nehmen auch deutsche Obstbaubetriebe an der Erfassung des Geschäftsklimaindex Gartenbau teil (siehe OBSTBAU Seite 74, Heft 2/2018).

Jens Stechmann, Jörg Disselborg
5480
Editorials

Gedanken zum Jahreswechsel

Ein Jahreswechsel ist auch immer Anlass, das vergangene Jahr Revue passieren zu lassen und einen Blick nach vorne zu werfen.

Jens Stechmann, Jörg Disselborg
4859
Editorials

Vielfalt schaffen, nutzen und erhalten

„Vielfalt statt Einfalt“, so heißt die neue Reihe, die Sie ab diesem Heft regelmäßig in unserer Fachzeitschrift OBSTBAU lesen können.

Jens Stechmann, Jörg Disselborg
4950
Editorials

Wer bei Bildung spart, kann sich die Zukunft sparen

„Am Ball bleiben“ bei laufenden Entwicklungen im Bereich der Anbautechnik, der EDV, bei rechtlichen Regelungen und in der Arbeitsorganisation – so muss die Devise lauten.

Jens Stechmann, Jörg Disselborg
4749
Editorials

5 vor 12 für deutsche Zwetschen und Pflaumen

Die Fachgruppe Obstbau fordert die Behörden und die Industrie auf, dringend Maßnahmen für eine tragfähige Zukunft des Zwetschen- und Pflaumenanbaus in Deutschland zu ergreifen – und zwar gemeinsam mit dem Berufsstand.

Jens Stechmann, Jörg Disselborg
4978
Anzeige