Olympiade der Clubäpfel

Helwig Schwartau
4131

Im Wettlauf um die Belegung der Regale im konzentrierten Lebensmitteleinzelhandel sind mehr als 50 Clubäpfel bzw. Markenäpfel am Start.

In der Masse handelt es sich um zweifarbige Äpfel, die sich im Erscheinungsbild nur wenig unterscheiden. Nach Auskunft der Manager sind die Varietäten schmackhaft, zeigen ein gutes Shelflife und sind relativ einfach zu produzieren. Leider liegen bisher kaum oder gar keine Trainingsergebnisse vor, die dann den Favoriten erkennen lassen. Man hofft natürlich, die bisherige Nr. 1 ‘Pink Lady’ zu stürzen. Leider kommt es immer wieder zu Dopingfällen, die dann nach Jahren aufgedeckt werden und den Ausschluss aus dem Rennen um die Gunst von Edeka & Co bedeuten. Die zukünftigen Investoren müssen bei der Wahl ihres Favoriten ein hohes Risiko eingehen.

 

Der Apfelmarkt hat sich in den vergangenen Jahren dramatisch verändert. Die Produktion in Europa wächst und Apfelernten von 12,5 Mio.t könnten zur Normalität werden. Gleichzeitig geht der Apfelkonsum nicht nur in Deutschland, sondern europaweit zurück. Der Konsument legt immer mehr Wert auf Geschmack und Qualität in uneingeschränkter Kontinuität. Das Absatzvolumen von Avocados und Mangos hat sich in den vergangenen fünf Jahren durch die vorgereifte Ware mehr als verdoppelt. Hinzu kommt der Snack-Gedanke, der den Absatz von Übersee Heidelbeeren/Himbeeren in 125 g-Schalen massiv puscht. Der Einzelhandel ist begeistert und kann die Umsätze pro Quadratmeter Ladenverkaufsfläche deutlich erhöhen. Bei den dominierenden Obstarten gibt es nur einen Verlierer, nämlich den Apfel.

 

Verständlich, dass man in den Läden unter Wettbewerbsdruck nicht nur billige Äpfel verkaufen möchte, sondern sich mehr und mehr den Markenäpfeln zuwendet. Seit 2012 ist der Marktanteil (Umsatz) von ‘Pink Lady’ & Co bei den Discountern und Supermärkten von 11 % auf 16 % gestiegen. In einzelnen europäischen Nachbarländern liegt der Anteil schon zwischen 20 und 25 %, Deutschland wird diesem Trend folgen. Der Markt für das Standardsortiment wird enger und könnte in ferner Zukunft unter die Marke von 60 % rutschen.

 

Deutschland ist nach Russland der wichtigste Importmarkt für Äpfel. Alle reden von Globalisierung, aber speziell Deutschland steht durch 80 Mio. potenzielle Kunden und einer politisch/wirtschaftlich stabilen Situation wieder mehr im Fokus. Bestes Beispiel ist Südtirol, das durch die massiven Exporteinbußen Richtung Nordafrika wieder mehr auf Deutschland fixiert ist. Der Regionalität kann Südtirol aber nur durch Spezialitäten begegnen und puscht daher die Produktion von ‘Pink Lady’. Darüber hinaus hat man sich u. a. die Vermarktungslizenzen für CosmicCrip in Europa gesichert, die bei den Neupflanzungen in Washington State mit anteilig 40 % dominiert.

 

Im globalen Apfelmarkt gibt es einen Wettlauf um neue Sorten. Man gewinnt den Eindruck, dass es im ersten Schritt um die Sicherung von Produktions- und Vermarktungslizenzen geht, im zweiten Schritt werden die Neuheiten dann auf die standortbedingte Verträglichkeit geprüft. „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.“ Einmal im Lebensmitteleinzelhandel erfolgreich gelistete Marken sind kaum oder nur über einen erhöhten finanziellen Aufwand zu verdrängen.

 

Auch den deutschen Interessenvertretern, insbesondere dem Deutschen Obstsortenkonsortium (DOSK), bleibt für die Bewertung von neuen Apfelsorten nur wenig Zeit, und sie müssen in der Regel zeitnah reagieren. Die hier angeschlossenen Vermarktungseinrichtungen müssen gemeinsam nicht nur ein Gegengewicht zu ‘Pink Lady’, sondern auch zu den im europäischen Umfeld favorisierten Neuheiten bilden. Dazu sind nicht nur konsequent umgesetzte Vermarktungskonzepte, sondern auch umfangreiche Werbegelder notwendig. Letzteres können einzelne deutsche Regionen oder Erzeugerorganisationen nur extrem risikobehaftet aufbringen.

 

Im schwächelnden Apfelmarkt ist eine höhere Wertschöpfung nur über Markenäpfel möglich. Es bleibt aber das Risiko, dass heute hochgelobte Neuheiten sich langfristig als „gedopt“ erweisen und keine „Olympiamedaille“ verdienen.

Über den Autor

Helwig Schwartau

Editorials

Editorials

Liebe Obstbäuerinnen und Obstbauern!

Das Jahr geht zu Ende und wie niemals vorher stand der Obstbau im Zeichen der gesellschaftlichen Debatte um Klimawandel und Umweltschutz.

Jens Stechmann, Joerg Hilbers
3629
Editorials

Dialog ist notwendig

Die notwendige gesellschaftliche Debatte zu Klimawandel, Umwelt- und Naturschutz wird leider auf vielen Ebenen unmittelbar und unsachlich mit unserer Obstproduktion verknüpft und stellt die Betriebe vor weitere enorme Herausforderungen.

Jens Stechmann, Joerg Hilbers
3747
Editorials

Zum Seminar nach Grünberg?

„Bildung ist nicht das Befüllen von Fässern, sondern das Entzünden von Flammen.“

Jens Stechmann, Joerg Hilbers
4425
Editorials

Den Widerspruch aufklären

Im erfolgreichsten Volksbegehren der Geschichte Bayerns „Rettet die Bienen“ forderten Anfang des Jahres innerhalb von zwei Wochen fast 1,8 Millionen Menschen ein Gesetz für mehr Umwelt- und Naturschutz.

Jens Stechmann, Joerg Hilbers
3725
Editorials

Drastische Unterschiede

Anfang August ist im Obstbau eine erste Vorabeinschätzung für den Erfolg oder Misserfolg des laufenden Wirtschaftsjahres möglich.

Jens Stechmann, Joerg Hilbers
4328
Editorials

Hallo, liebe Obstbäuerinnen und Obstbauern!

Als neuer Geschäftsführer der Bundesfachgruppe Obst grüße ich Sie erstmals herzlich.

Joerg Hilbers
5405
Editorials

Für ein starkes Europa

Die Wahl zum EU-Parlament ist auch für den Obstbau von besonderer Bedeutung, nicht nur aufgrund des Brexits und einer noch nicht geklärten Finanzplanung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach 2020.

Jens Stechmann, Jörg Disselborg
3665
Editorials

Zukünftige Verfügbarkeit von Insektiziden im deutschen Obstbau

In dieser Ausgabe von OBSTBAU finden Sie einen Sonderdruck, der sich mit der Verfügbarkeit von Insektiziden für den Obstbau in Deutschland auseinandersetzt.

Jens Stechmann, Jörg Disselborg
3866
Editorials

Artenvielfalt per Volksbegehren

Der Erfolg des Volksbegehrens „Rettet die Bienen“ in Bayern zeigt, dass sich Landwirte und Gärtner und der Rest der Bevölkerung noch fremder geworden sind.

Jens Stechmann, Jörg Disselborg
3793
Editorials

Alle Kosten im Griff?

Einmal im Monat nehmen auch deutsche Obstbaubetriebe an der Erfassung des Geschäftsklimaindex Gartenbau teil (siehe OBSTBAU Seite 74, Heft 2/2018).

Jens Stechmann, Jörg Disselborg
3960
Editorials

Gedanken zum Jahreswechsel

Ein Jahreswechsel ist auch immer Anlass, das vergangene Jahr Revue passieren zu lassen und einen Blick nach vorne zu werfen.

Jens Stechmann, Jörg Disselborg
3566
Editorials

Vielfalt schaffen, nutzen und erhalten

„Vielfalt statt Einfalt“, so heißt die neue Reihe, die Sie ab diesem Heft regelmäßig in unserer Fachzeitschrift OBSTBAU lesen können.

Jens Stechmann, Jörg Disselborg
3569
Anzeige