So schlimm, wie viele es befürchtet haben, ist es nicht gekommen. Im Gegenteil: Die Proteste der Landwirtschaft waren beeindruckend und nachdrücklich, aber wohlorganisiert, friedlich und demokratisch. Mit deutlichem und für die Bevölkerung wahrnehmbarem Unterschied zum destruktiven Lahmlegen des Bahnverkehrs hat die Gemeinschaft der Bauern demonstriert – und nicht gestreikt. Auch mehr als 1.000 Obstbauschlepper haben sich in die bundesweit rollenden Traktorenkonvois eingereiht, an vielen Stationen haben Obstbauern Äpfel verteilt und auf die festgefahrene Situation ihrer Betriebe hingewiesen.
Dabei ist es uns gelungen, das wirkliche Anliegen der Proteste deutlich zu machen. Es geht nur am Rande um die Agrardieselrückvergütung, die keine Subvention, sondern begründete Rückerstattung ist. Vielmehr geht es um fehlende Perspektive, überbordende Bürokratie, um fehlende Anerkennung und Wertschätzung von Landwirtschaft und Obstbau.
Ebenso wie die Landwirtschaft müssen auch wir Obstbauern immer mehr Auflagen in Umwelt- und Sozialstandards erfüllen. Und wir können davon ausgehen, dass diese Auflagen, insbesondere im Verhältnis zu unseren Mitbewerbern aus Europa, unverhältnismäßig weiter steigen werden. Und wie in der Landwirtschaft fehlt auch für den Obstbau eine Strategie, damit die deutschen Obstbauern auch in Zukunft mit den Berufskollegen aus anderen EU-Staaten mithalten können.
Zur Drucklegung dieses Artikels ist eine Verhandlungslösung des Konflikts noch nicht erreicht. Die Ampelkoalition lehnt eine weitere Rücknahme der Kürzungen bei der Agrardieselrückvergütung ab, deutet aber Entlastungen in anderen Bereichen an. Bundesfinanzminister Lindner hat dabei die von uns seit Jahren geforderte und immer wieder vom Bundesfinanzministerium abgelehnte Risikoausgleichsrücklage ins Gespräch gebracht. Diese wäre ein sinnvolles Instrument zur Abpufferung der auch durch Extremwetterereignisse immer stärkeren Ertragsschwankungen im Obstbau.
Die große Agrarreform, die schon so oft – und nun auch von dieser Koalition – angekündigt wurde, ist immer noch nicht in Sicht. Ein Teil unserer Mitbürger hat aber durch die Proteste etwas mehr davon verstanden, mit welchem Engagement und mit welcher Passion Landwirte und auch Obstbauern, die in vielerlei Hinsicht wertvollen Nahrungsmittel in unserem Land erzeugen – und wird dieses vielleicht sogar zukünftig stärker beim bewussten Einkaufen honorieren.
Über den Autor
Jens Stechmann, Vorsitzender der Bundesfachgruppe Obstbau und Joerg Hilbers, Geschäftsführer der Bundesfachgruppe Obstbau.
Auch wenn sich nach zwei sehr schwierigen Jahren am Tafelapfelmarkt endlich eine etwas bessere Absatzsituation für die Erzeuger abzeichnet – die konzeptionelle Krise des deutschen Obstbaus bleibt bestehen und ist offensichtlich.
Am 22. Mai, zum Höhepunkt der Spargel- und zum Beginn der Erdbeersaison, titelte „ZDF-heute“, ebenso wie sinngemäß auch viele andere Medien: „Unhaltbare Zustände im Spargelanbau“.
Die deutschen Apfel-, Erdbeer-, Heidelbeer-, Kirsch- und Zwetschenkulturen sind in den meisten Regionen Deutschlands vergleichsweise gut durch die Phase der Blüte gekommen.
Die Äußerungen von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil am Osterwochenende sorgten bei Obstbauern für Entsetzen und führten bei nicht wenigen auch zu Verzweiflung.
Im Wettbewerb der europäischen Obstbauregionen sind die hohen und teuren Umwelt- und Sozialstandards für die deutschen Produzenten nachteilig bis ruinös.
Traditionell blicken wir an dieser Stelle auf das zu Ende gehende Jahr zurück und versuchen, mit Zuversicht Ideen und Ansätze für Konzepte notwendiger Entwicklungen im Obstbau aufzuzeigen.