Noch viele Fragen zum Mindestlohn!

Jens Stechmann, Jörg Disselborg
2379

In diesen Wochen dreht sich bei unserer Verbandsarbeit alles um den Mindestlohn.

Offensichtlich hat der Zug Fahrt aufgenommen und man versucht, das Gesetz möglichst schnell auf den Weg zu bringen. Ungeachtet der Probleme, die dadurch entstehen. Dem übergeordneten Ziel einer Regierungsbildung ist ein großer Teil der deutschen
Tarifautonomie zum Opfer gefallen. Trotz gültiger regionaler Lohntarifverträge bis Ende 2018 soll in der gesamten Landwirtschaft ab dem 1. Januar 2015 der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 7 brutto pro Stunde gelten. Welche Möglichkeiten bleiben uns, die Weichen für den fahrenden Zug in unserem Sinne zu stellen?

In den zahlreichen Gesprächen, die auf Bundes- und Landesebene geführt wurden, kam immer wieder zum Ausdruck, dass viele der politischen Entscheidungsträger sich nach wie vor nicht bewusst sind, welche Auswirkungen ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn auf unsere Branche haben wird. Die Arbeitswirtschaftlerin Margret Wicke vom DLR Rheinpfalz hat in ihrem Artikel auf Seite 382 in dieser Ausgabe von OBSTBAU exemplarisch gezeigt, wie sich die steigenden Lohnkosten auf den Betriebserfolg auswirken werden. Sie werden umso gravierender sein, je geringer die Preisanpassung auf Seiten des Marktes ausfallen wird.

Deshalb müssen wir weiterhin alle Register ziehen, um in Gesprächen mit politisch Verantwortlichen weiter aufzuklären! Ist es wirklich politisch gewollt, dass viele der kleineren Betriebe aufgrund steigender Lohnkosten, die vom Markt nicht ausreichend in Form höherer Preise kompensiert werden, den Betrieb einstellen müssen und deshalb Obst und Gemüse verstärkt aus dem Ausland importiert werden muss? Hat man sich nicht in letzter Zeit für den Erhalt der Familienbetriebe ausgesprochen? Obstbaubetriebe sind in der Regel Familienbetriebe!

Die Lohnkosten in vielen europäischen Nachbarländern liegen bereits jetzt deutlich unter den deutschen. Insbesondere die polnischen Obstbauern würden gerne verstärkt für den deutschen Markt produzieren – gerade jetzt, wo die Handelsbeziehungen nach Russland schwieriger werden. Auch die Erdbeeranbauer aus Spanien und China würden sich sehr freuen… Deutsche Marmelade, hergestellt aus chinesischen Erdbeeren – schon jetzt kein Tabu mehr. Was wollen wir dem Verbraucher noch zumuten?

Ist es politisch gewollt, dass der Trend zu regionalen Produkten ausgebremst wird, weil diese Produkte zukünftig in der Region gar nicht mehr kostendeckend produziert werden können bzw. der Preis für den Verbraucher nicht mehr bezahlbar sein wird?

Burkhard Möller vom Deutschen Bauernverband stellt gleich im Anschluss an diesen Leitartikel eindrucksvoll dar, welche Folgen durch das Mindestlohngesetz auf uns zu kommen und welche Fragen nach wie vor ungeklärt sind, u. a., wie mit Brutto- und Nettolöhnen von Festangestellten und kurzzeitig Beschäftigten umgegangen werden soll und welche Fragestellungen beim Akkordlohn noch unbeantwortet sind.

Nur um klar zu stellen: Wir wollen keinesfalls Dumpinglöhne unterstützen oder eine schlechte Behandlung von Saisonarbeitskräften legitimieren. Unsere Erntehelfer kommen in der Regel zu uns, weil sie innerhalb kurzer Zeit ein lukratives Zubrot verdienen können. Sie kommen wieder, wenn es sich für sie lohnt und wenn sie sich bei uns gut aufgehoben fühlen. Wer gute Kräfte haben möchte, muss deshalb angemessene Löhne zahlen und entsprechende Arbeits- und Unterbringungsmöglichkeiten bereitstellen. Die Kosten hierfür müssen aber in Relation zur Rentabilität der Kulturen stehen. Und es muss im Interesse des Betriebsfriedens möglich sein, dass die Helfer ganz unabhängig vom Sozialversicherungsstatus gleiche Nettolöhne für die gleiche Arbeit erhalten.

Wir sind uns bewusst, dass für den Obstbau alleine eine gesonderte Regelung für Saisonarbeitskräfte kaum Aussicht auf Erfolg haben wird. Umso wichtiger ist es, dass wir den Schulterschluss mit den anderen Branchen in der gleichen Situation suchen. Ziel ist es, eine akzeptable Regelung für kurzfristige Beschäftigungsverhältnisse zu erreichen und einen Mindestlohntarifvertrag abzuschließen, der nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz allgemeinverbindlich erklärt wird und uns bis zum 31. Dezember 2016 Luft verschaffen würde. Luft nicht nur in Bezug auf die zu zahlenden Löhne, denn die liegen in vielen Betrieben ja gar nicht unbedingt weit unter dem Mindestlohnsatz. Wir bekommen aber Zeit, um die Ausgestaltung des Gesetzes in realistische und an der Praxis orientierte Bahnen zu lenken. Damit der Zug nicht in eine Richtung fährt, aus der es kein zurück mehr gibt. 

Jens Stechmann                            Jörg Disselborg
- Bundesvorsitzender -                 - Geschäftsführer - 

 

Editorials

Editorials

Wir haben die Agrarindustrie satt!

Unter dem Motto „Wir haben es satt“ sind am 18. Januar 2014 anlässlich der Grünen Woche rund 25.000 Demonstranten in Berlin zusammengekommen, um für eine bäuerliche und ökologischere Landwirtschaft zu demonstrieren.

Jens Stechmann, Jörg Disselborg
2330
Editorials

Gedanken zum Jahreswechsel

Gedanken zum Jahreswechsel sind stets ein Wechselspiel aus Rückblick und Vorblick.

Jens Stechmann, Jörg Disselborg
2425
Editorials

Liebe Leserinnen und Leser

nach 10 Jahren als Vorsitzender des Bundesauschusses Obst und Gemüse (BOG) endete am 22. Oktober 2013 die Amtszeit von Gerhard Schulz.

Jens Stechmann, Jörg Disselborg
2530
Editorials

Regionalität – eine messbare Größe oder nur ein Gefühl?

Verknappung steigert den Wert von Rohstoffen, Konsumgütern oder Lebensmittel und auch von Zeit.

Jens Stechmann, Jörg Disselborg
2279
Editorials

Die Würfel sind gefallen – die Richtung ist noch unbestimmt

Es ist der Abend des 22. September – der große Wahlsonntag

Jens Stechmann, Jörg Disselborg
2405
Editorials

Damit die Wahl nicht zum Würfelspiel wird

Ist ein Würfelspiel besser als eine bewusste Wahlentscheidung?

Bleibt uns nichts weiter, als die Würfel so zu nehmen, wie sie fallen?

Jens Stechmann, Jörg Disselborg
2465
Editorials

Kooperation statt Konfrontation – freiwilliges Engagement nicht bestrafen

Als Produzenten von gesunden und sicheren Nahrungsmitteln leisten Obstbaubetriebe auch einen wesentlichen Beitrag zum Erhalt der Kulturlandschaft und des Landschaftsbildes.

Jens Stechmann, Jörg Disselborg
2457
Editorials

Hochwasserhilfe 2013

Wir alle verfolgen die immer noch dramatischen Bilder des Hochwassergeschehens mit großer Betroffenheit.

Jens Stechmann, Jörg Disselborg
2586
Editorials

Wir halten immer noch nach

Achten Sie einmal auf Ihre Reaktionen, wenn Sie dieses Wort lesen: NACHHALTIGKEIT.

Jens Stechmann, Jörg Disselborg
2491
Editorials

Nationaler Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (NAP) – Wie geht es nun weiter?

Über mehrere Jahre hinweg haben wir uns in zahlreichen Diskussionen und Stellungnahmen in die Ausgestaltung des NAP eingebracht. Am 10. April hat die Bundesregierung ihn nun endgültig verabschiedet.

Jens Stechmann, Jörg Disselborg
2498
Editorials

Wie ist die Lage in Sachen Feuerbrand?

Trotz umfangreicher Forschungsaktivitäten haben wir bis heute keine durchgreifenden Bekämpfungsverfahren, die ohne antibiotikahaltige Mittel auskommen.

Jens Stechmann, Jörg Disselborg
2489
Editorials

Sicherheit, Transparenz, Kontrolle und Qualität oder was hat Pferdefleisch mit dem Obstbau zu tun?

Das Jahr ist noch jung und schon erleben wir einen neuen Skandal um falsch ausgezeichnete Lebensmittel. Wegen des Pferdefleisch-Skandals wurden in Deutschland bereits mehrere Produkte aus dem Handel genommen.

Jens Stechmann, Jörg Disselborg
2512
Anzeige