Luthers Apfelbäumchen
Dieses angebliche Zitat von Martin Luther drängt sich angesichts der weltpolitischen Entwicklung immer wieder auf. Und so erleben wir in unseren Obstanlagen das Frühjahr mit seiner ganzen Schönheit und den jährlichen obstbaulichen Herausforderungen. Die deutschlandweit aufgetretenen Nachtfröste Anfang April haben keine gravierenden Schäden an der Obstblüte verursacht. Es folgten z. T. heftige Niederschlagsperioden, die für die notwendige Bodenfeuchte sorgten, aber auch für schwer zu bekämpfende Schorfinfektionen. Mitte April zeichnete sich ein vergleichsweise normales Blüh- und Fruchtansatzwetter ab.
Währenddessen werden aber die agrarpolitischen Folgen des Ukrainekrieges jeden Tag spürbarer. Aufgrund des Wegbrechens der Getreide-, Soja- und Maisproduktion in der Ukraine wird eine weltweite Nahrungskrise vorhergesagt, mit Hungersnöten in Afrika und im Nahen Osten. Dem Vorschlag der EU zur Kompensation, die ökologischen Vorrangflächen (ÖVF) für einen begrenzten Zeitraum zur Getreideproduktion freizugeben, mochte die Ampelkoalition mit einer Freigabe für die deutsche Landwirtschaft nicht folgen. Die Parlamentarische Staatssekretärin aus dem BMEL, Dr. Manuela Rottmann, bewertet den Schaden durch eine ÖVF-Freigabe für den Anbau als größer, als es deren Nutzen wäre. „Ein Umpflügen von Brachflächen setzt zusätzliches CO2 frei, das die Klimakrise verschärft, welche ohnehin die Lebensmittelversorgung bedroht“, erklärte Dr. Rottmann. Eine Verschiebung des Kampfes gegen die Klima- und Artenkrise könne nicht die Lösung sein. Hoffentlich wird in diesem Zusammenhang vom Ministerium aber auch die Bedeutung des Obstbaus für das Klima gesehen und anerkannt!
Die aktuelle Debatte um steigende Preise, Sicherung der Lebensmittelversorgung und den Selbstversorgungsgrad spiegelt sich auf unseren Obstmärkten allerdings nicht wider. Vielmehr sorgen sinkende Kaufkraft und der fehlende Markt in Osteuropa für ein Überangebot – mit einem entsprechenden Einbrechen der Apfelpreise.
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Reaktion der polnischen Regierung auf die sich abzeichnende Krise der Apfelerzeuger: In einem Interview mit der französischen Agrarpresse hat der polnische Landwirtschaftsminister angekündigt, den EU-Krisenfond der Gemeinsamen Agrarpolitik zur Unterstützung der heimischen Obstbauern zu nutzen (s. S. 259).
Hochinteressante Informationen zur Erdbeer- und Himbeerproduktionsstruktur liefert der Artikel von Eva Würtenberger von der AMI ab Seite 260: Während für deutsche Himbeerproduzenten der Kampf gegen hohe Produktionskosten und sinkende Käufergunst verloren scheint, werden Geschmack und Regionalität deutscher Erdbeeren vom Verbraucher honoriert. Wer hier weiterführende Informationen wünscht, ist herzlich eingeladen, am Online-Seminar zur aktuellen Situation des Erdbeermarktes teilzunehmen, das wir gemeinsam mit der AMI zu Beginn der Erdbeersaison am 5. Mai 2022 anbieten (s. S. 258).
Damit die erneuerbaren Energien mit der erforderlichen Dynamik ausgebaut werden können, wurde das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) überarbeitet und Anfang April verabschiedet. Für Obstbaubetriebe ist dabei insbesondere die attraktivere Einspeisung aus PV-Dachanlagen und der in der Summe noch nicht festgelegte Bonus für Agri-Photovoltaik (Agri-PV) interessant. Eine gute Übersicht über das Konzept der Agivoltaik gibt der neue Leitfaden des Fraunhofer-Institutes, auf Seite 258 erfahren Sie näheres dazu. Bei allem Hype, den die Agri-Photovoltaik derzeit erlebt, empfehlen wir potenziellen Betreibern jedoch erst einmal, die Ergebnisse aus den gerade entstehenden Versuchsanlagen abzuwarten, um sicherer kalkulieren zu können! Definitiv bietet dieses interessante, aber noch in der Entwicklung befindliche Konzept aber keine Lösung für die strukturelle Krise im Obstbau.
Auch im Sinne des Luther-Zitats wünschen wir Ihnen Erfolg und Optimismus für die kommenden in unseren obstbaulichen Kulturen entscheidenden Wochen.
Verwandte Artikel
Editorials
„Gemischte Gefühle…“ oder auch „Licht und Schatten…“
Mit den drei verschiedenen Titelbildern möchten wir die aktuell so unterschiedliche Situation auf den Obstbaubetrieben darstellen:
Endlich auskömmliche Erzeugerpreise erwartet – wenn man Äpfel hat…
Mit prognostizierten knapp 800.000 t erwartet Deutschland eine der schwächsten Apfelernten der letzten 20 Jahre und mit geschätzt 10,2 Mio. t Äpfeln wird auch die europäische Apfelernte deutlich unter den Ernten der vergangenen Jahre liegen.
Frosthilfen der Länder und der EU: Kompatibilität notwendig!
Ca. 25 % der deutschen Apfel- und ca. 40 % der deutschen Kirschernte ist den Blütenfrösten Ende April und Anfang Mai zum Opfer gefallen – mit erheblichen regionalen Unterschieden.
Außer-Haus-Verpflegung: Bio und/oder regional?
Täglich nehmen etwa sechs Millionen Menschen die sogenannte Außer-Haus-Verpflegung (AHV) in Anspruch, essen also in Kitas, Mensen, Schulen, Seniorenheimen, Kantinen u.s.w.
Frostschäden für Betriebe in betroffenen Regionen existenzbedrohend
Schon unmittelbar nach den Frostnächten vom 21. bis 23. April 2024 war bei der Klimawandel-bedingt extrem weit vorangeschrittenen Vegetation zu befürchten, dass die Schäden in den betroffenen Regionen sehr hoch sein würden.
Extreme Witterung im April – Situationsbericht Obstbau
Vollblüte und zum Teil auch schon Abblüte Mitte April in den meisten Baumobstanlagen Deutschlands – jährlich verzeichnen wir neue Rekorde, die Meteorologen auf den Klimawandel zurückführen.
Zu wenig Zukunft im Zukunftsprogramm Pflanzenschutz…
… so titelt die Pressemitteilung des Zentralverbandes Gartenbau zum neuen Pflanzenschutzstrategiepapier der Bundesregierung – und trifft es damit auf den Kopf.
„Es geht auch anders…“
So schlimm, wie viele es befürchtet haben, ist es nicht gekommen. Im Gegenteil: Die Proteste der Landwirtschaft waren beeindruckend und nachdrücklich, aber wohlorganisiert, friedlich und demokratisch.
Obstbau – In diesen Tagen sind wir Landwirte!
So schlimm, wie viele es befürchtet haben, ist es nicht gekommen. Im Gegenteil: Die Proteste der Landwirtschaft waren beeindruckend und nachdrücklich, aber wohlorganisiert, friedlich und demokratisch.
Ein „heißer Januar“ – auch im Obstbau?
Eigentlich sollten die endlich auskömmlichen Preise am Apfelmarkt die Stimmung zumindest im Baumobstsektor etwas heben.
Wir sind stolze Obstbauern, Gärtner und Landwirte
Zu Beginn unseres Berufslebens haben wir beide eine Ausbildung zum Gärtner gemacht.
Die Hängepartie geht weiter – Keine Mehrheit im EU-Ausschuss für neue Glyphosat-Zulassung
Die Europäische Kommission hat zunächst keine ausreichende Zustimmung der EU-Länder für eine erneute Zulassung von Glyphosat bekommen.