Für unsere Sonderkulturen gilt diese alte Bauernweisheit leider nur sehr bedingt bzw. gar nicht. Vielmehr sind in fast allen Regionen Deutschlands, insbesondere in den Kernobstanlagen, bis an die Grenzen (und z. T. auch darüber) belastete Fahrgassen – und Betriebsleiter – zu verzeichnen. Nach den Beregnungsnächten folgten deutschlandweit außergewöhnlich viele und lange Schorfinfektionsperioden. Sie führen uns wieder einmal die Notwendigkeit der Verfügbarkeit leistungsstarker Kontaktfungizide vor Auge. Die Frage der Wiederzulassung von Captan ab 2023 ist weiterhin ungeklärt. Am 19. Mai 2021 hat die zuständige Arbeitsgruppe der Europäischen Kommission dazu beraten, eine Entscheidung bzw. Empfehlung ist in den kommenden zwei bis drei Monaten zu erwarten.
Zum Ende der Blüte stellt sich die Fruchtansatzsituation bei Äpfeln bundesweit insgesamt befriedigend dar. Frostbedingte Ausfälle gibt es bei Steinobst, insbesondere im Osten und Südwesten Deutschlands. Die Erdbeersaison hat aufgrund der kühlen Witterung spät begonnen, aber die Winterabdeckungen haben hier zum Glück die meisten Schäden verhindert. Es gibt eine gute zeitliche Staffelung in der Abreife der Kulturverfahren und Regionen. Der Angebotsdruck aus den importierenden Ländern ist vergleichsweise gering und langsam nimmt nun die Freilandsaison an Fahrt auf.
Europaweit gesehen bestätigen sich die Frostschäden in Frankreich in allen obstbaulichen Kulturen.
Ein verbandspolitisches Highlight des vergangenen Monats war der Besuch von Julia Klöckner, Bundesministerin für Landwirtschaft und Ernährung, bei der Fachgruppe Obstbau. Corona- bedingt war die Teilnehmerzahl bei diesem Anlass begrenzt, inzwischen haben sich aber ca. 1.000 Interessierte die Aufzeichnungen der Reden von Ministerin Klöckner und Jens Stechmann auf Youtube angeschaut. Sollten Sie noch nicht dazu gekommen sein: Die Aufzeichnung ist über unsere Homepage www.obstbau.org weiter verfügbar!
Die Diskussionen im Vorfeld und Nachgang der Veranstaltung mit den anwesenden verbandspolitischen Vertretern und den Bundes- und Landtagsabgeordneten waren geprägt von den bevorstehenden Bundestagswahlen. Wir nutzen jetzt jede Gelegenheit, unsere Belange einzubringen.
Wir sprachen gegenüber der Ministerin u. a. auch die Möglichkeiten einer Förderung einer Mehrgefahrenversicherung an. Sie stimmte zu, dass für die zunehmende Gefahr, die Ernte durch Wetterextreme zu verlieren, derzeit in der Fläche keine bezahlbaren Versicherungslösungen bestehen. Ihr Ministerium habe die Pro-blematik bereits intensiv diskutiert. Da es hier aber eine regional sehr unterschiedliche Betroffenheit gebe, seien dafür die Bundesländer zuständig. Julia Klöckner machte deutlich, dass es mit der anstehenden Neuauflage der GAP in der zweiten Säule entsprechende Möglichkeiten für die Bundesländer geben werde. Bereits jetzt wird eine Versicherung von Witterungsrisiken in Baden-Württemberg (s. Seite 374) und Bayern finanziell gefördert. Von Seiten der niedersächsischen Landesregierung kamen Signale, dem Beispiel dieser Länder zu folgen.
Auch wenn der Start der Weichobsternte mit den Erdbeeren insbesondere im Süden mehr als enttäuschend verlief, konnten im weiteren Verlauf der Erdbeer-, Kirsch- und auch der Heidelbeerernte die hervorragenden Mengen und Qualitäten etwas über die explodierenden Produktionskosten, die einbrechenden Preise und die Kaufzurückhaltung unserer Kunden hinweghelfen.
Mit gemischten Gefühlen sind wir beide am 12. Januar 2022 in die Schwerpunktveranstaltung der Delegiertentagung zur Vorstellung und Diskussion des Nachhaltigkeitsprojektes IP 2030 gegangen.
Die durch die neue Bundesregierung geplante erhebliche Erhöhung des Mindestlohns sowie die in den vergangenen Monaten zu verzeichnende massive Steigerung auch anderer Produktionskosten bleiben die beherrschenden Themen auf den Betrieben in diesem noch jungen Jahr 2022.