Seit im Juni 2022 die EU-Kommission den Entwurf einer neuen Verordnung zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (SUR) vorgestellt hat, haben wir mehrfach darüber berichtet und in verschiedenen Stellungnahmen die Belange und verheerenden Auswirkungen einer möglichen Umsetzung für den deutschen Obstbau dargestellt.
Die zuständige Berichterstatterin des EU-Parlaments, Sarah Wiener, hat nun im Februar 2023 mit ihrem Entwurf eines Berichtes zur SUR für weitere Diskussionen in den Ausschüssen und im Parlament gesorgt. In diesem Bericht schlägt sie unter anderem vor, die auch für den Obstbau wichtigen Substitutionskandidaten (z. B. alle Kupferverbindungen) bis 2030 statt um 50 % um 80 % zu reduzieren. Ein weiterer Vorschlag zur Integrierten Produktion sieht vor, dass synthetische Pflanzenschutzmittel erst angewendet werden dürfen, wenn andere Maßnahmen als erfolglos dokumentiert und in einem Monitoring erhebliche wirtschaftliche Verluste aufgezeigt sind. Insgesamt gehen ihre Änderungsvorschläge im Berichtsentwurf weit über das hinaus, was im ersten Entwurf nicht nur vom Obstbau, sondern der gesamten grünen Branche im Vorschlag der Kommission kritisiert worden ist. Sie sind in keiner Weise geeignet, nachhaltigen Pflanzenschutz im Sinne des Integrierten Pflanzenschutzes zu gewährleisten, sondern führen diesen ad absurdum.
Einleitend zu ihrem Hintergrundpapier zur SUR führt Sarah Wiener, die als Abgeordnete der österreichischen Grünen Mitglied des Europaparlaments ist, aus: Es sei wissenschaftlicher Konsens, dass eine drastische Reduktion des Pestizideinsatzes notwendig sei, um einen Zusammenbruch der Ökosysteme und schwere Schäden an Bestäuberpopulationen zu vermeiden.
In seiner Stellungnahme zur SUR für den deutschen Bundestag schreibt der Agrarwissenschaftler Prof. Dr. Andreas v. Tiedemann von der Universität Göttingen hingegen: „Die wissenschaftliche Studienlage macht deutlich, dass die Regulierung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes generell die falsche Stellschraube für die Sicherung der Biodiversität ist. Unter den vom Menschen beeinflussbaren Wirkfaktoren muss vielmehr die Struktur der Agrarlandschaft in den Blick genommen werden, da sie durch Bereitstellung von Lebensräumen maßgeblich das Arteninventar in den Agrarregionen bestimmt.“
Bei so entgegengesetzten Positionen stellt sich die Frage nach der jeweiligen Kompetenz zur Bewertung – es sei denn, die anstehenden Entscheidungen sollen nicht auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse, sondern aufgrund ideologischer Maßstäbe getroffen werden. Die Auswirkungen auf den deutschen Obstbau und damit auch auf den Selbstversorgungsgrad für Obst wären in letzterem Fall dramatisch.
Bemerkenswert ist der Protestbrief des Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg Winfried Kretschmann (Grüne) zur SUR an die Kommissionspräsidentin der EU, Ursula von der Leyen (CDU). Winfried Kretschmann gehen die geplanten Maßnahmen zu weit, er warnt vor zahlreichen Betriebsaufgaben im Obst- und Weinbau.
Etwas Hoffnung am Apfel-Markt Die Abverkäufe für Äpfel der letzten Monate und die Lagerbestandszahlen schüren die Hoffnung für eine Trendwende am Apfelmarkt im letzten Saisondrittel. Die Herausforderung für den Verkauf ist es, das ruinöse Preisniveau der bisherigen Saison deutlich anzuheben, um den Schaden in Grenzen zu halten. Lesen Sie dazu auch den Artikel von AMI-Marktexperte Helwig Schwartau auf Seite 204.
Über den Autor
Jens Stechmann, Vorsitzender der Bundesfachgruppe Obstbau und Joerg Hilbers, Geschäftsführer der Bundesfachgruppe Obstbau.
Mit dem Jahresbeginn jähren sich die Bauernproteste und Treckerdemos, die für die Fachgruppe Obstbau auch zu intensiveren Gesprächen mit der Bundespolitik geführt haben.
Seit Jahren verfügen die vier „Großen“ im Lebensmitteleinzelhandel, EDEKA/NETTO, REWE/PENNY, ALDI sowie die Schwarz-Gruppe mit LIDL und Kaufland, über einen stabilen Marktanteil von fast 80 %.
Mit prognostizierten knapp 800.000 t erwartet Deutschland eine der schwächsten Apfelernten der letzten 20 Jahre und mit geschätzt 10,2 Mio. t Äpfeln wird auch die europäische Apfelernte deutlich unter den Ernten der vergangenen Jahre liegen.
Ca. 25 % der deutschen Apfel- und ca. 40 % der deutschen Kirschernte ist den Blütenfrösten Ende April und Anfang Mai zum Opfer gefallen – mit erheblichen regionalen Unterschieden.
Täglich nehmen etwa sechs Millionen Menschen die sogenannte Außer-Haus-Verpflegung (AHV) in Anspruch, essen also in Kitas, Mensen, Schulen, Seniorenheimen, Kantinen u.s.w.
Schon unmittelbar nach den Frostnächten vom 21. bis 23. April 2024 war bei der Klimawandel-bedingt extrem weit vorangeschrittenen Vegetation zu befürchten, dass die Schäden in den betroffenen Regionen sehr hoch sein würden.
Vollblüte und zum Teil auch schon Abblüte Mitte April in den meisten Baumobstanlagen Deutschlands – jährlich verzeichnen wir neue Rekorde, die Meteorologen auf den Klimawandel zurückführen.