Es ist betrüblich, dass wir uns so nur bedingt an den Erfolgen guter und verantwortungsvoller obstbaulicher Arbeit freuen können. Aber die Rahmenbedingungen im Obstbau werden immer wieder durch nicht fachliche, sondern undifferenzierte und auf Wählerstimmen bedachte Initiativen geprägt…
Keine Handbreit Wasser unterm Kiel… So hat die EU-Kommission in Brüssel umfassende Gesetzesvorschläge zur Umsetzung des Green Deals vorgelegt. U. a. will sie mit der „Verordnung zur nachhaltigen Nutzung von Pflanzenschutzmitteln“ bis zum Jahr 2030 für eine Halbierung des Pflanzenschutzeinsatzes sorgen. Als Maßstab dafür dienen die Vergleichswerte der Jahre 2015 bis 2017, die Berechnungen von Menge und Risiko sind komplex.
Ziel dieser Vorschläge ist es, „…den Verlust an biologischer Vielfalt in Europa zu stoppen…, eine dauerhafte Ernährungssicherheit zu gewährleisten und unsere Gesundheit zu schützen“. Aus unserer Sicht sind die geplanten Maßnahmen jedoch zumindest im Obstanbau nicht geeignet, um diese Ziele zu erreichen. Vielmehr werden sie hier das Gegenteil bewirken.
Denn in Obstanlagen gibt es bereits jetzt eine außergewöhnlich hohe Biodiversität. Dies haben eine Reihe unabhängiger wissenschaftlicher Untersuchungen in den vergangenen Jahren eindeutig nachgewiesen. So sind einige Naturschutzgebiete erst entstanden, weil dort durch den Obstbau wertvolle Habitate für zahlreiche Tiere und Insekten bestehen. Wesentliche Unterschiede in der Artenvielfalt zwischen Integrierter und ökologischer Produktionsweise konnten dabei in drei vergleichenden Forschungsvorhaben nicht festgestellt werden.
Das Potenzial zur Reduktion von Pflanzenschutzmitteln im Obstbau wurde im Rahmen des Nationalen Aktionsplans zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln in dem Modellvorhaben „Demonstrationsbetriebe Pflanzenschutz“ untersucht. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen belegen, dass eine Einsparung von Pflanzenschutzmitteln über das notwendige Maß kaum möglich ist. Nur im Rückblick hätte man vielleicht auf einzelne und wenige Maßnahmen verzichten können, damit jedoch die Produktionssicherheit massiv gefährdet. Wir haben also – wissenschaftlich erwiesen – bezüglich weiterer Einsparpotenziale an Pflanzenschutzmitteln keine Handbreit Wasser unterm Kiel. Das notwendige Maß hat der Obstbau schon im Referenzzeitraum 2015 bis 2017 eingehalten.
Noch bis zum 22. August 2022 können Betriebe in einer öffentlichen Konsultation gegenüber der EU ihre Betroffenheit ausdrücken. Eine breite Beteiligung ist angebracht, bitte nehmen Sie teil! Den Zugangslink erhalten Sie über Ihre Landesverbände. Sie finden ihn außerdem auch in einem Beitrag unseres neuen Newsletters.
Der Tropfen auf den heißen Stein Mit Co-Finanzierung der EU hat die Bundesregierung eine Krisenhilfe für vom Ukrainekrieg betroffene landwirtschaftliche Betriebe auf den Weg gebracht. Auch aufgrund unserer Initiative sind Obstbaubetriebe berücksichtigt, sie sollen 126,– EUR pro Hektar erhalten. Angesichts der sich in den vergangenen Monaten dramatisch verschlechterten Rahmenbedingungen für den Obstbau ist diese Unterstützung der bekannte Tropfen auf den heißen Stein. Positiv zu bewerten ist jedoch die unbürokratische Auszahlung: Da der Obstbau per se die Greening-Anforderungen erfüllt, brauchen Betriebe, die an der EU-Agrarförderung teilnehmen, keinen gesonderten Antrag stellen, sondern erhalten die Zahlungen bis Ende September automatisch über die SVLFG.
Auch wenn sich nach zwei sehr schwierigen Jahren am Tafelapfelmarkt endlich eine etwas bessere Absatzsituation für die Erzeuger abzeichnet – die konzeptionelle Krise des deutschen Obstbaus bleibt bestehen und ist offensichtlich.
Am 22. Mai, zum Höhepunkt der Spargel- und zum Beginn der Erdbeersaison, titelte „ZDF-heute“, ebenso wie sinngemäß auch viele andere Medien: „Unhaltbare Zustände im Spargelanbau“.
Die deutschen Apfel-, Erdbeer-, Heidelbeer-, Kirsch- und Zwetschenkulturen sind in den meisten Regionen Deutschlands vergleichsweise gut durch die Phase der Blüte gekommen.
Die Äußerungen von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil am Osterwochenende sorgten bei Obstbauern für Entsetzen und führten bei nicht wenigen auch zu Verzweiflung.
Im Wettbewerb der europäischen Obstbauregionen sind die hohen und teuren Umwelt- und Sozialstandards für die deutschen Produzenten nachteilig bis ruinös.
Traditionell blicken wir an dieser Stelle auf das zu Ende gehende Jahr zurück und versuchen, mit Zuversicht Ideen und Ansätze für Konzepte notwendiger Entwicklungen im Obstbau aufzuzeigen.