Es ist eine Frage der Geschlossenheit

Jens Stechmann, Jörg Disselborg
1999

Alterntige Ware ist noch auf Lager und die allerersten Frühsorten sind gerade geerntet.

Allerorts wird schon längst über die Preispolitik der kommenden Saison diskutiert und spekuliert. Das Niveau dieser Diskussionen lässt dabei so manches Mal Sachverstand und Feingefühl vermissen. Vor allem vor dem Hintergrund der Frostschäden, unter denen viele Kolleginnen und Kollegen
leiden, sind Kommentare wie „Mit 60 Cent muss ein Erzeuger doch klarkommen“ oder „Wir können mit 10 Cent weniger als die Konkurrenz in den Markt einsteigen“ sowohl taktlos als auch kurzsichtig.

 

Nach drei mageren Jahren für die Apfelerzeuger präsentiert sich die Marktlage in Deutschland so heterogen, widersprüchlich und unübersichtlich wie schon lange nicht mehr. Gnadenloser Preisdruck seitens des Handels bei gleichzeitiger Unterversorgung des Marktes sind ein Phänomen der besonderen Art. Klar ist nur eines: Deutsche Äpfel bleiben gefragt. Die Frostnächte im April werden die gesamtdeutsche Ernte um einen wesentlichen Teil reduzieren. In der logischen Konsequenz könnte sich dies zu einer Unterversorgung auswachsen. Für die betroffenen Erzeuger wird es schwierig und der Markt und die Preise werden auf das knappe Angebot reagieren. Davon profitieren muss in erster Linie der Erzeuger – es zählt jeder Cent.

 

Die Diskussionen um die Marktmacht des Lebensmitteleinzelhandels sind weiter ein Dauerthema. Aber die Situation ist komplex und nicht immer sind die Discounter für Dumpingpreise verantwortlich. Die deutsche, zersplitterte Anbieterstruktur verstärkt den Druck auf den Absatz, denn der geringe Marktanteil des einzelnen Anbieters ist eine Schwäche. Es entsteht ein überzogener und oft völlig überflüssiger Wettbewerbsmarkt.

 

Internationale Gegebenheiten und Wetterkapriolen können wir nicht beeinflussen. Unser eigenes Produktions- und Marktverhalten und die Reaktionen auf Veränderungen am Markt können wir aber besser organisieren. Als Erzeuger haben wir es in der Hand, den Preiswettbewerb hin zu einem Qualitätswettbewerb zu führen. Instabile und schlechte Qualitäten, die schnell und billig verkauft werden müssen, sind dabei keine Hilfe. Das Verhalten der Vermarkter sollte nicht mehr von der Angst vor einer Auslistung geprägt sein. Standhaftigkeit ist das Gebot der Stunde.

 

Aussagen wie oben beschrieben, sind auch ein Ergebnis der falschen Sichtweise auf die Gesamtsituation. Auch wir von der Erzeugerseite müssen anfangen, die Betrachtungsweise vom Einzelbetrieb hin zu einer kooperativen Vermarktungsstrategie und einem einheitlichen Marktauftritt zu ändern.

 

Wir können nach vorsichtiger Einschätzung von einem weitestgehend robusten Markt 2017/2018 ausgehen. Wir erwarten von den Erzeugerorganisationen, Händlern und Bündlern ein diszipliniertes Marktverhalten – die jüngst entstandenen Chancen für einen stabilen Marktverlauf müssen genutzt werden. Und zwar deutlich zum Vorteil des Erzeugers! Aber der Fingerzeig auf andere reicht nicht. Auch auf Ebene der Erzeuger ist Selbstdisziplin gefragt. Wir haben es in der Hand, nicht untereinander ausgespielt zu werden. Insbesondere die Berufskollegen, die Positionen in den Entscheidungsgremien der Vermarktung besetzen, sind zu einem verantwortungsvollen Handeln aufgerufen.

 

Ob nun 60, 70 oder 80 Cent am Ende für den Erzeuger gut und ausreichend sind, ist nicht die Kernfrage. Ob durch einen geschlossenen Marktauftritt am Ende möglicherweise fünf Cent pro Kilo mehr drin gewesen wären, das ist die entscheidende Frage. Allen muss klar sein, dass die Betriebe am Limit sind. Die größte Last liegt auf dem Erzeuger und damit verbunden auch das komplette Risiko. Lagern bis zur neuen Ernte, MCP-Anwendungen, immer höhere Qualitätsansprüche und dass alles ohne entsprechende Wertschätzung der Kette. Wenn die Ware dann vom Erzeuger in andere Hände übergeht, findet der Preiskampf nur noch auf unserem Rücken statt.

 

 

Jens Stechmann                            Jörg Disselborg
- Bundesvorsitzender -                 - Geschäftsführer - 

 

Anzeige

Editorials

Editorials

Deutschland ist Fußball-Weltmeister – was für ein Turnier.

Jens Stechmann, Jörg Disselborg
1813
Editorials

In diesen Wochen dreht sich bei unserer Verbandsarbeit alles um den Mindestlohn.

Jens Stechmann, Jörg Disselborg
1758
Editorials

In Medizin und Pharmazeutik wird Gentechnik selten hinterfragt.

Jens Stechmann, Jörg Disselborg
1947
Editorials

Wir sind enttäuscht und in Sorge darüber, was die Bundesregierung in großer Hektik beim Mindestlohn entschieden hat. 

Jens Stechmann, Jörg Disselborg
1863
Editorials

Haben wir überhaupt noch Spielraum für eigene Entscheidungen?

Jens Stechmann, Jörg Disselborg
1782
Editorials

Der Mindestlohn war im Wahlkampf ein zentrales Thema für alle Parteien, um der gesamtgesellschaftlichen Situation Rechnung zu tragen.

Jens Stechmann, Jörg Disselborg
1824
Editorials

Unter dem Motto „Wir haben es satt“ sind am 18. Januar 2014 anlässlich der Grünen Woche rund 25.000 Demonstranten in Berlin zusammengekommen, um für eine bäuerliche und ökologischere Landwirtschaft zu demonstrieren.

Jens Stechmann, Jörg Disselborg
1745
Editorials

Gedanken zum Jahreswechsel sind stets ein Wechselspiel aus Rückblick und Vorblick.

Jens Stechmann, Jörg Disselborg
1834
Editorials

nach 10 Jahren als Vorsitzender des Bundesauschusses Obst und Gemüse (BOG) endete am 22. Oktober 2013 die Amtszeit von Gerhard Schulz.

Jens Stechmann, Jörg Disselborg
1942
Editorials

Verknappung steigert den Wert von Rohstoffen, Konsumgütern oder Lebensmittel und auch von Zeit.

Jens Stechmann, Jörg Disselborg
1707
Editorials

Es ist der Abend des 22. September – der große Wahlsonntag

Jens Stechmann, Jörg Disselborg
1801
Editorials

Ist ein Würfelspiel besser als eine bewusste Wahlentscheidung?

Bleibt uns nichts weiter, als die Würfel so zu nehmen, wie sie fallen?

Jens Stechmann, Jörg Disselborg
1856
Anzeige