Eigentlich sollten die endlich auskömmlichen Preise am Apfelmarkt die Stimmung zumindest im Baumobstsektor etwas heben.
Und auch die nach der EU-Verlängerung von Glyphosat nun vorläufige Anpassung der deutschen Pflanzenschutzanwendungsverordnung bis zum 1. Juli 2024, das Scheitern der unseligen SUR im EU-Parlament und die im Januar anstehende Auszahlung der EU-Krisenbeihilfe wären eigentlich positive Signale für den Obstbau zum Jahreswechsel.
Der am 13. Dezember 2023 vorgestellte Plan der Ampelkoalition, durch eine Streichung der Agrardieselrückvergütung und der Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Kfz eine ganze Milliarde Euro einzusparen, um damit das 17-Milliarden-Loch im Bundeshaushalt 2024 zu stopfen, hat jedoch in der gesamten grünen Branche für einen Aufschrei der Empörung gesorgt. Die Landwirtschaft mit einem Anteil von gerade einmal einem Prozent an der Gesamtbevölkerung soll einen überproportional großen Teil der notwendigen Sparmaßnahmen des Bundes tragen. Die Begründung der Steuervorteile für Agrardiesel und für landwirtschaftliche Kfz, dass nämlich mit den landwirtschaftlichen Fahrzeugen meist auf privaten Grundstücken und nicht auf öffentlichen und von Steuergeldern finanzierten Straßen gefahren wird, spielt in diesem Sparkonzept keine Rolle.
In seiner Rede anlässlich der kurzfristig vom Deutschen Bauernverband (DBV) organisierten Demo und Kundgebung vor dem Brandenburger Tor in Berlin am 18. Dezember 2023 forderte der Präsident des DBV, Joachim Rukwied, eine vollständige Rücknahme dieser Beschlüsse. Auch Kompromisse seien nicht zu akzeptieren. Anderenfalls kündigte er, in Anlehnung an Streikdrohungen der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), ab dem 8. Januar 2024 bundesweit massivste Protestmaßnahmen in einem sogenannten „heißen Januar“ an.
Ein Obstbaubetrieb durchschnittlicher Größe verliert durch die beiden Sparvorschläge jeweils einige tausend Euro – die Betroffenheit unseres Sektors durch die Anhebung des Mindestlohns in den vergangenen zwei Jahren ist sicherlich unverhältnismäßig höher. DBV-Präsident Rukwied hat das in seiner Rede dankenswerterweise auch erwähnt.
Trotzdem haben auch aus unserer obstbaulichen Sicht die aktuellen Vorschläge das Fass der Zumutbarkeit agrarpolitischer Entscheidungen zum Überlaufen gebracht. Ideologisch geprägte Diffamierung der konventionell-Integrierten Produktion, weiterhin fehlende Pflanzenschutzmittelzulassungen, die Kürzungen der Bundesmittel für GAK und Unfallversicherung sowie keine bisher spürbaren Verbesserungen der Produktionsbedingungen für den deutschen Obstbau im weiterhin unfairen europäischen Wettbewerb waren für viele Obstbauern der Grund, nach Berlin zu fahren und zu demonstrieren.
Noch gibt es keine guten und mehrheitsfähigen Vorschläge, wo und wie denn alternativ zu den Streichungen beim Agrardiesel und der Kfz-Steuerbefreiung Geld im Ausgabenhaushalt der Bundesregierung eingespart werden kann. Wir warten auf ein ausgewogenes Gesamtkonzept, mit dem dann auch die Landwirtschaft und der Obstbau leben können.
Liegt dieses zum 8. Januar 2024 nicht vor, werden sich mit uns viele frustrierte Obstbauern an dem „heißen Januar“ beteiligen.
Über den Autor
Jens Stechmann, Vorsitzender der Bundesfachgruppe Obstbau und Joerg Hilbers, Geschäftsführer der Bundesfachgruppe Obstbau.
Die notwendige gesellschaftliche Debatte zu Klimawandel, Umwelt- und Naturschutz wird leider auf vielen Ebenen unmittelbar und unsachlich mit unserer Obstproduktion verknüpft und stellt die Betriebe vor weitere enorme Herausforderungen.
Im erfolgreichsten Volksbegehren der Geschichte Bayerns „Rettet die Bienen“ forderten Anfang des Jahres innerhalb von zwei Wochen fast 1,8 Millionen Menschen ein Gesetz für mehr Umwelt- und Naturschutz.
Die Wahl zum EU-Parlament ist auch für den Obstbau von besonderer Bedeutung, nicht nur aufgrund des Brexits und einer noch nicht geklärten Finanzplanung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach 2020.
In dieser Ausgabe von OBSTBAU finden Sie einen Sonderdruck, der sich mit der Verfügbarkeit von Insektiziden für den Obstbau in Deutschland auseinandersetzt.
Der Erfolg des Volksbegehrens „Rettet die Bienen“ in Bayern zeigt, dass sich Landwirte und Gärtner und der Rest der Bevölkerung noch fremder geworden sind.
„Am Ball bleiben“ bei laufenden Entwicklungen im Bereich der Anbautechnik, der EDV, bei rechtlichen Regelungen und in der Arbeitsorganisation – so muss die Devise lauten.