Die Äußerungen von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil am Osterwochenende sorgten bei Obstbauern für Entsetzen und führten bei nicht wenigen auch zu Verzweiflung.
Minister Heil hatte in der Zeitung „Bild am Sonntag“ und dann auch vor Fernsehkameras die Erwartung geäußert, dass die Mindestlohn-Kommission in diesem Jahr eine „deutliche Erhöhung“ des Mindestlohns beschließen werde.
Der nächste Beschluss des Gremiums, in dem je drei Gewerkschafts- und Arbeitgebervertreter – eigentlich gesetzlich geregelt und vor allem unabhängig von jeder politischen Einmischung – eine sinnvolle Anpassung des Mindestlohns darstellen sollen, steht zum 30. Juni an und betrifft die Anpassung zum 1. Januar 2024.
Unsere Sonderkulturbranche, in der die Saisonarbeit im Mindestlohnsegment den Großteil der Produktionskosten einnimmt, hat die Anhebung von Juli 2021 bis Oktober 2022 um 25 % kaum oder gar nicht verkraftet. Eine weitere „deutliche Erhöhung“ ist für einen erheblichen Teil der Betriebe nicht kompensierbar und bedeutet das Aus. Wir müssen deshalb noch deutlicher auf unsere prekäre Situation aufmerksam machen – hat doch die Politik mehrfach bekundet, dass sie keine Ausnahmeregelungen will.
Aufgrund der Aussagen von Minister Heil gingen unmittelbar nach dem Osterwochenende deutliche Forderungen von Berufskollegen nach einer Neuauflage der Apfelbaum-Rodeprämie bei uns in der Geschäftsstelle ein. Diese Prämie wurde als EU-Bund-Länderkonzeption Ende der 80er Jahre und, in verschiedenen Neuauflagen bis in die 2000er Jahre, für das Roden marktbelastender Apfelbaumflächen gezahlt.
Um von Seiten der Bundesfachgruppe eine abgestimmte Position vertreten zu können, wurden im Rahmen einer außerordentlichen Vorstandssitzung am 20. April 2023 die unterschiedlichen Argumente aus den Landesverbänden gesammelt und diskutiert.
So sieht eine Reihe von Betriebsleitern und Verbandsvertretern aus allen Teilen Deutschlands in der Rodeprämie ein mögliches Instrument, um resignierenden Betrieben den Ausstieg aus der Obstproduktion zu erleichtern bzw. zu ermöglichen. Sie verbinden dies mit der Erwartung, dass den verbleibenden Betrieben mit der beschleunigten Bereinigung der Produktion ein hilfreicher und notwendiger Marktimpuls gegeben wird.
Auf der anderen Seite ist es fraglich, ob bei einem Selbstversorgungsgrad für Obst von insgesamt nur noch ca. 20 % und der Bedeutung von Apfel-Erwerbsobstanlagen für die Artenvielfalt und das Landschaftsbild, eine Reduktion des deutschen Apfelanbaus wirklich forciert werden sollte.
Von einer EU-weiten Regelung würde zudem der inzwischen größte EU-Apfelproduzent Polen maßgeblich profitieren. Und die durch eine Reduktion der deutschen Apfelproduktion frei werdenden Regalplätze würden sofort durch Importe belegt – was kaum zielführend wäre.
Die so dringend notwendige politische Unterstützung für Obstbaubetriebe sollte sich nach Meinung der Mehrzahl der Vorstandsmitglieder deshalb vornehmlich auf zukunftsträchtige Investitionen konzentrieren, wie die IP-Flächenförderung, die Förderung von Risikominderungsmaßnahmen oder auch Maßnahmen zur Öffentlichkeitsarbeit.
Der Vorstand der Bundesfachgruppe Obstbau hat aus diesen Gründen beschlossen, keine Apfelbaum-Rodeprämie in den Katalog der Vorschläge zur Lösung der aktuellen schweren Krise im Obstbau aufzunehmen. Ggf. wird es aber für Baden-Württemberg eine landesspezifische Forderung aufgrund der dortigen speziellen Bedingungen geben, welche im Bedarfsfall auch auf andere Bundesländer übertragbar wäre.
Nichtsdestotrotz werden wir das Thema Rodeprämie weiter im Auge behalten, sollten sich andere politische Unterstützungsmöglichkeiten für die Obstbaubetriebe nicht realisieren lassen.
Über den Autor
Jens Stechmann, Vorsitzender der Bundesfachgruppe Obstbau und Joerg Hilbers, Geschäftsführer der Bundesfachgruppe Obstbau.
Unter dem Motto „Wir haben es satt“ sind am 18. Januar 2014 anlässlich der Grünen Woche rund 25.000 Demonstranten in Berlin zusammengekommen, um für eine bäuerliche und ökologischere Landwirtschaft zu demonstrieren.