Beratung und Versuchswesen sind wichtige Produktionsfaktoren
Politik und insbesondere Wirtschaft und Handel stellen im Namen der Verbraucher hohe Anforderungen an Qualität, Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Es ist der Anspruch unserer Gesellschaft, sichere Lebensmittel mit hoher Qualität kaufen zu können, die verantwortungsvoll und im nachhaltigen Umgang mit Umwelt und Ressourcen produziert wurden. Aber um dies gewährleisten zu können, müssen sich unsere Leistungen auch in den Preisen für unsere Produkte widerspiegeln. Was ist das denn für ein Wirtschaftsmodell, wenn Gärtner und Landwirte allein die Kosten für die eingeforderten Weiterentwicklungen tragen sollen? Die notwendigen Investitionen müssen alle Partner bis hin zur Ladentheke mittragen. Gelingt das nicht, wird jede gesellschaftliche oder politische Forderung ins Leere laufen. Ein allgemeines Bekenntnis, wonach Lebensmittel mehr wert seien, reicht bei weitem nicht aus.
Wichtige Partner für unsere Betriebe sind unsere Berater, deren Empfehlungen auf den Ergebnissen eines unabhängigen, praxisorientierten Versuchswesens beruhen. Sie zeigen uns, welche Möglichkeiten es gibt, Produktionsstrukturen hinsichtlich der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Anforderungen zu optimieren. Beratung und Versuchswesen sind somit wichtige Produktionsfaktoren und die für die Organisation der Beratung zuständigen Bundesländer ein wesentlicher Teil unserer Produktionskette. Aber die Organisation der landwirtschaftlichen und gartenbaulichen Beratung ist in Deutschland nicht einheitlich. Die Beratung unterliegt einem ständigen Wandel und muss sich anpassen, weil sich zum Beispiel auf EU-Ebene die Agrarpolitik ändert oder Verwaltungsreformen zur Einsparung von Haushaltsmitteln zwingen. Diesem Sparzwang könnte nun auch das Kompetenzzentrum Gartenbau in Klein-Altendorf zum Opfer fallen (bitte lesen Sie auch hierzu das Interview ab Seite 124). Das darf nicht passieren!
Der Strukturwandel in unserer Branche ist durch verschiedene Aspekte gekennzeichnet. Die Betriebszahlen nehmen bei steigender Flächenausstattung ab, die Zahl der Familienarbeitskräfte ist rückläufig und die Anzahl der Arbeitnehmer bzw. deren Bedarf steigt. Und nicht zuletzt hat uns das Jahr 2017 vor Augen geführt, dass eine diverse Aufstellung des Betriebes und eine geschickte Einkommenskombination und deren Absicherung immer wichtiger werden. Die im Nationalen Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmittel skizzierten Ziele, die Düngeverordnung, die Wasserrahmenrichtlinie und vieles mehr geben weitere Hausaufgaben. Je komplexer die Aufgaben und Erwartungen werden, desto bedeutender wird die Beratung. Aber während angesichts all der gesellschaftspolitischen und wirtschaftlichen Entwicklungen in unserem Land der tatsächliche Bedarf an Beratung steigt, wird das Angebot in den Ländern erheblich zurückgefahren. Es gibt durchaus einzelbetriebliche Fragestellungen, für die unsere Betriebe eine Unterstützung im privatwirtschaftlichen Raum suchen müssen. Doch wenn es um gesellschaftliche Interessen und politische Forderungen geht, muss dafür ein staatlich finanziertes und gefördertes Beratungsangebot zur Verfügung stehen.
Es kann nicht unsere Aufgabe sein, gesellschaftlich und politisch verursachte Probleme alleine zu lösen und diesen Prozess auch noch alleine zu finanzieren. Wir engagieren uns gerne und optimieren unsere Strukturen und Prozesse hinsichtlich Verbraucher-, Umwelt- und Naturschutz. Das kann nur gelingen, wenn diejenigen, die diese Anforderungen an uns stellen, auch ihren Teil dazu beitragen.
Jens Stechmann Jörg Disselborg
- Bundesvorsitzender - - Geschäftsführer -
Verwandte Artikel
Editorials
Licht und Schatten in der Pflanzenschutzmittelzulassung – Captan ist in Gefahr!
Captan ist im Integrierten Obstbau ein zentraler, nützlingsschonender und seit ca. fünfzig Jahren bewährter Wirkstoff, u. a. zur Bekämpfung des Schorfpilzes und von pilzlichen Lagerfäulen.
API – die Entwürfe liegen vor, und nun?
Am 10. Februar hat das Bundeskabinett sich auf die Entwürfe des neuen Naturschutzgesetzes und der Pflanzenschutzanwendungsverordnung geeinigt.
2021 – Was erwartet uns?
Zu Beginn des neuen Jahres ergeben sich auch für den Obstbau wichtige politische Weichenstellungen, auf die sich die Betriebe rechtzeitig einstellen müssen.
2021 – Chancen nutzen!
Eigentlich ist das Jahresende ja gar kein Ende und der Jahresanfang ist auch kein Anfang.
Eine besondere Winter- und Weihnachtszeit – sehen wir uns online?
Die Corona-bedingten Kontaktverbote und -einschränkungen betreffen uns inzwischen alle.
Obstbauseminare der Fachgruppe online!
Was tun, wenn ein Treffen im gewohnten Grünberger Ambiente Corona-bedingt nicht möglich ist, wir aber trotzdem nicht auf Fachinformation und kollegialen Austausch verzichten wollen?
Die blaue Zeit
Eine uns beiden gut bekannte, inzwischen 80-jährige Obstbäuerin bezeichnet diese Tage im Herbst als die „blaue Zeit“.
Die Corona-Krise als Chance begreifen?
Nun hat die Schule in den meisten Bundesländern wieder begonnen – unter besonderen Auflagen und immer mit dem Risiko, dass es trotzdem zu einer Infektion und damit zu einer Schließung der jeweiligen Schule kommen kann.
Entscheidungen in Coronazeiten
Die Welt, Europa, Deutschland und jeder Einzelne von uns ist im Corona-Fieber, täglich fällen wir Entscheidungen vor dem Hintergrund der Pandemie.
Titelbild geklaut?
Wer auch die Südtiroler Obstbau-Zeitschrift ,,Obstbau-Weinbau“ bekommt, wird sich gewundert haben: Das gleiche Titelbild auch bei uns?
Frostschäden regional unterschiedlich
Wie häufiger in den letzten Jahren – und durch den Klimawandel begünstigt – erleben wir ein phänologisch frühes Jahr.
Mit Zuversicht und wohlüberlegten Entscheidungen
Die Corona-Pandemie hat sehr vieles verändert – auch im Obstbau. In kürzester Zeit waren und sind wichtige Entscheidungen zu treffen.